Du öffnest YouTube, klickst auf ein Erklärvideo – und nach 15 Sekunden bist du wieder weg. Warum? Das Video war nicht schlecht gemacht, aber irgendwie... hat es dich nicht gepackt. Genau hier liegt der Unterschied zwischen einem Video, das funktioniert, und einem, das einfach nur existiert. Die Zielgruppe macht den Unterschied.
Mir ist kürzlich aufgefallen, wie unterschiedlich meine Tochter und ich auf dasselbe Produktvideo reagiert haben. Sie scrollte nach drei Sekunden weiter, während ich gebannt zuschaute. Das hat mich nachdenklich gemacht – und zu diesem Artikel inspiriert.
B2B-Zielgruppen: Wenn Entscheider entscheiden müssen
Im B2B-Bereich geht es meist um mehr als nur ein Produkt. Erklärvideos sind ein wesentliches Marketinginstrument fürs B2B-Marketing. Da steht oft ein ganzes Team dahinter, das überzeugt werden muss. Der Einkaufsleiter will Zahlen sehen, der IT-Chef braucht technische Details, und der Geschäftsführer? Der will wissen, wie sich das Investment rechnet.
Nehmen wir mal ein Erklärvideo für komplexe IT-Sicherheitslösungen. Da können wir nicht einfach bunte Animationen zeigen und hoffen, dass alle begeistert sind. B2B-Entscheider haben meist wenig Zeit, dafür aber sehr spezifische Fragen. Sie wollen konkrete Antworten – keine Poesie.
Apropos Entscheider: Die haben oft mehrere Rollen gleichzeitig. Morgens sind sie strategische Denker, mittags Kostenoptimierer und abends müssen sie dem Vorstand erklären, warum diese Lösung die richtige ist. Ein gutes B2B-Erklärvideo berücksichtigt diese verschiedenen Hüte.
Was bei B2B-Zielgruppen besonders gut funktioniert? Fallstudien, Zahlen und echte Problemlösungen. Diese Leute haben echte Probleme und suchen echte Lösungen – nicht den nächsten Viral-Hit.
B2C: Wenn Emotionen den Kaufknopf drücken
Im B2C-Bereich läuft das Spiel völlig anders. Hier kaufen Menschen für sich selbst – mit ihrem eigenen Geld, ihren eigenen Wünschen und oft auch ihren eigenen Impulsen. Das bedeutet: Emotionen sind der Schlüssel.
Ein B2C-Erklärvideo für einen Staubsauger muss nicht alle technischen Spezifikationen auflisten. Ein gutes Erklärvideo kann Vertrauen aufbauen und Kaufhürden abbauen. Stattdessen zeigt es, wie viel einfacher das Leben wird, wenn der Boden endlich mal wieder richtig sauber ist. Es geht um das Gefühl, nicht um die Wattzahl.
Interessant wird es, wenn B2C-Produkte trotzdem erklärungsbedürftig sind. Denk an Fintech-Apps oder Versicherungen. Da müssen wir komplexe Themen so aufbereiten, dass sie auch nach einem langen Arbeitstag noch verständlich sind. Fintech-Erklärvideos sind ein gutes Beispiel dafür, wie man komplexe Finanzprodukte menschlich rüberbringt.
Die Herausforderung? B2C-Kunden haben oft noch weniger Geduld als B2B-Entscheider. Wenn das Video nicht sofort fesselt, ist die Chance weg.
Interne Kommunikation: Wenn Kollegen zu Kunden werden
Oft übersehen, aber mega wichtig: Erklärvideos für die interne Kommunikation. Erklärvideos können ein leistungsfähiges Werkzeug sein, um interne Kommunikation effektiv und effizient zu gestalten. Hier sind die eigenen Mitarbeiter die Zielgruppe – und die haben ganz eigene Erwartungen.
Bei Mitarbeiterschulungen geht es nicht darum, zu verkaufen. Es geht darum, zu vermitteln. Die Kollegen wissen schon, dass sie das Video schauen müssen – die Frage ist nur, ob sie dabei auch was lernen.
Interne Zielgruppen sind oft skeptischer. Sie kennen das Unternehmen, sie wissen, wo der Schuh drückt. Ein zu glattpoliertes Video kann sogar kontraproduktiv sein. Authentizität schlägt hier Perfektion.
Was funktioniert? Onboarding-Videos, die wirklich helfen. Schulungsvideos, die praktische Probleme lösen. Und ja, auch Change-Management-Videos, die ehrlich kommunizieren, was sich ändert und warum.
Technische Zielgruppen: Wenn Details über alles gehen
Entwickler, Ingenieure, IT-Administratoren – diese Zielgruppen haben ihre ganz eigenen Regeln. Sie wollen Details, sie wollen Präzision, und sie merken sofort, wenn etwas nicht stimmt.
Für technische Erklärvideos bedeutet das: Weniger Marketing-Sprech, mehr Hard Facts. Diese Leute durchschauen Buzzword-Bingo in Sekunden. Sie wollen wissen, wie etwas funktioniert, nicht nur was es kann.
Aber – und das ist wichtig – technisch heißt nicht langweilig. Auch Entwickler sind Menschen. Sie schätzen es, wenn komplexe Zusammenhänge elegant erklärt werden. Ein gutes technisches Erklärvideo ist wie ein gut geschriebener Code: klar, effizient und elegant.
Die Herausforderung liegt darin, technische Tiefe mit visueller Klarheit zu verbinden. Zu oberflächlich, und du verlierst die Glaubwürdigkeit. Zu detailliert, und du verlierst alle anderen.
Generation Z: Schnell, authentisch, interaktiv
Jetzt wird's interessant. Generation Z hat Erklärvideos praktisch neu erfunden – ohne es zu merken. TikTok, Instagram Reels, YouTube Shorts – das sind alles Formate, die komplexe Inhalte in kürzester Zeit vermitteln.
Diese Zielgruppe hat andere Erwartungen. Sie will nicht 10 Minuten lang belehrt werden. Sie will in 30 Sekunden verstehen, worum es geht, und dann selbst entscheiden, ob sie tiefer einsteigen will.
Authentizität ist dabei entscheidend. Gen Z erkennt sofort, wenn etwas zu poliert, zu corporate, zu "erwachsen" ist. Sie bevorzugen echte Menschen vor perfekten Animationen, echte Probleme vor Marketing-Problemen.
Was auch spannend ist: Diese Generation erwartet Interaktivität. Einfach nur passiv zuschauen? Das war gestern. Sie wollen Polls, Fragen, die Möglichkeit zu kommentieren und zu reagieren.
Internationale Zielgruppen: Mehr als nur Übersetzungen
Wenn Erklärvideos international funktionieren sollen, reicht es nicht, einfach den Text zu übersetzen. Gerade Lehr- und Erklärvideos erweisen sich als geeigneter Weg, digitale Lehrinhalte zu produzieren, die einerseits in konkrete Unterrichtspraxis einfließen und andererseits im internationalen Kontext problemlos und barrierefrei eingesetzt werden können. Jede Kultur hat ihre eigenen Codes, ihre eigenen Erwartungen, ihre eigenen Tabus.
In Deutschland schätzen wir Präzision und Gründlichkeit. In den USA geht es oft um den "Wow-Effekt" und emotionale Ansprache. In Japan ist Respekt und Höflichkeit entscheidend. Diese Unterschiede müssen sich auch in den Erklärvideos widerspiegeln.
Internationale Erklärvideos bedeuten auch: unterschiedliche Aufmerksamkeitsspannen, unterschiedliche visuelle Codes, unterschiedliche Humor-Verständnisse. Was in einem Land funktioniert, kann in einem anderen völlig daneben sein.
Besonders knifflig wird es bei B2B-Produkten für internationale Märkte. Da treffen verschiedene Geschäftskulturen aufeinander. Ein direkter, deutscher Kommunikationsstil kann in manchen Kulturen als unhöflich empfunden werden.
Bildungseinrichtungen: Lernen muss Spaß machen
Schulen, Universitäten, Weiterbildungseinrichtungen – das ist nochmal eine ganz eigene Welt. Hier geht es nicht um Verkaufen, sondern um Vermitteln. Die Zielgruppe lernt nicht freiwillig, sondern muss lernen.
Erklärvideos für die Schule funktionieren nach anderen Regeln. Sie müssen nicht nur informieren, sondern auch motivieren. Sie müssen komplexe Themen so aufbereiten, dass sie verständlich sind – aber nicht langweilig werden.
Dabei spielen verschiedene Lerntypen eine Rolle. Manche lernen visuell, andere auditiv, wieder andere brauchen praktische Beispiele. Ein gutes Bildungs-Erklärvideo berücksichtigt alle diese Typen.
Was auch wichtig ist: Pädagogische Zielgruppen haben oft begrenzte Budgets, aber hohe Qualitätsansprüche. Sie brauchen Videos, die immer wieder verwendet werden können und trotzdem aktuell bleiben.
Digital Natives vs. Digital Immigrants
Nicht nur das Alter entscheidet, sondern auch die digitale Sozialisation. Digital Natives sind mit YouTube aufgewachsen, sie verstehen visuelle Codes intuitiv. Digital Immigrants müssen diese Codes erst lernen.
Für nicht-digitalaffine Zielgruppen bedeutet das: langsamer, erklärender, geduldiger. Sie brauchen mehr Kontext, mehr Erklärung, mehr Zeit zum Verstehen. Das heißt nicht, dass die Videos langweilig sein müssen – aber sie müssen anders strukturiert sein.
Ein Beispiel: Ein Erklärvideo für Senioren zu Produkten muss anders aufgebaut sein als eines für Digital Natives. Klarere Sprache, langsameres Tempo, mehr Wiederholungen.
Aber Vorsicht vor Stereotypen. Auch unter Senioren gibt es Digital Natives – und auch junge Menschen, die mit Videos nicht so gut klarkommen.
Der Spagat: Heterogene Zielgruppen ansprechen
Was machst du, wenn deine Zielgruppe gar nicht homogen ist? Wenn du Entwickler und Geschäftsführer gleichzeitig ansprechen musst? Oder wenn dein Produkt sowohl B2B als auch B2C funktioniert?
Die Lösung liegt oft in geschichteten Inhalten. Das Video startet mit einer Botschaft, die alle verstehen und interessiert. Dann wird es spezifischer, aber so, dass sich jeder das rauspicken kann, was für ihn relevant ist.
Eine andere Strategie: Verschiedene Videos für verschiedene Zielgruppen, aber mit einem gemeinsamen roten Faden. So kann jeder das Video bekommen, das zu ihm passt, ohne dass die Marke inkonsistent wird.
Manchmal hilft auch einfach Ehrlichkeit. "Dieses Video ist für IT-Entscheider gemacht, aber wenn Sie Geschäftsführer sind, bleiben Sie trotzdem dran – die letzten 30 Sekunden sind auch für Sie relevant."
Wenn Videos zu Gesprächen werden
Die besten Erklärvideos sind nicht Monologe, sondern der Beginn von Dialogen. Sie beantworten nicht nur Fragen, sondern werfen neue auf. Sie informieren nicht nur, sondern inspirieren zur Diskussion.
Verschiedene Zielgruppen brauchen verschiedene Gesprächsanfänge. B2B-Entscheider wollen über ROI sprechen, Generation Z über Impact, technische Zielgruppen über Implementation.
Ein gutes Erklärvideo kennt seine Zielgruppe so gut, dass es genau die richtigen Fragen stellt. Nicht zu viele, nicht zu wenige, und schon gar nicht die falschen.
Übrigens: Die meisten erfolgreichen Erklärvideos haben eins gemeinsam – sie respektieren ihre Zielgruppe. Sie nehmen sie ernst, sie sprechen ihre Sprache, sie lösen ihre Probleme. Das klingt einfach, aber in der Praxis ist es verdammt schwer.
Vielleicht liegt da der wahre Unterschied zwischen Videos, die funktionieren, und solchen, die es nicht tun. Die einen sind für Menschen gemacht, die anderen für Algorithmen. Menschen merken den Unterschied – immer.