In einer Münchner Marketingabteilung hängt ein Whiteboard voller Post-its. Jeder Zettel ein Videoidee, jeder Zettel ein Versprechen an die Geschäftsführung: mehr Reichweite, bessere Conversion, klarere Kommunikation. Doch zwischen Idee und fertigem Erklärfilm liegt eine Entscheidung, die selten offen diskutiert wird – bis das Budget aufgebraucht ist oder die Deadline überschritten. Soll das Video-Team intern aufgebaut werden, oder beauftragen wir eine Agentur?
Diese Frage hat mehr Gewicht, als viele Unternehmen zunächst annehmen. Sie bestimmt nicht nur, wer die Kamera hält oder das Storyboard zeichnet. Sie definiert Arbeitsabläufe, Kostenstrukturen, kreative Freiheiten und letztlich die Qualität dessen, was am Ende beim Kunden ankommt. Zwischen Werkbank und Agentur liegt ein Spektrum strategischer, finanzieller und kultureller Überlegungen, die weit über die Frage „Wer macht es günstiger?" hinausgehen.
Der Inhouse-Weg: Kontrolle gegen Komplexität
Ein eigenes Produktionsteam aufzubauen klingt verlockend. Vollständige Kontrolle über Timelines, direkter Zugriff auf die Markensprache, keine Abstimmungsschleifen mit externen Dienstleistern. In der Theorie entsteht hier ein nahtloser Workflow, bei dem Marketingstrategie und Videoproduktion organisch ineinandergreifen.
Die Realität zeigt ein anderes Bild. Ein funktionsfähiges Inhouse-Team benötigt weit mehr als eine Kamera und Adobe Premiere. Es braucht Konzepter, die komplexe Sachverhalte in visuelle Geschichten übersetzen können. Animator:innen, die technische Präzision mit ästhetischem Gespür verbinden. Sounddesigner, Sprecher, Projektmanager. Selbst bei kleineren Produktionen summieren sich die Kompetenzen schnell zu einer Abteilung, deren Aufbau Monate dauert und deren laufende Kosten sich nicht einfach wegrechnen lassen.
Dazu kommt die technische Infrastruktur. Professionelle Animationssoftware, Rendering-Kapazitäten, Audioequipment, Lizenzen für Stockmaterial und Musik. Was als „Do it yourself"-Ansatz beginnt, entwickelt sich rasch zu einem Investment, das sich nur bei kontinuierlicher Auslastung amortisiert. Unternehmen, die drei bis vier Erklärfilme pro Quartal produzieren, bewegen sich in einem Bereich, wo Inhouse-Strukturen wirtschaftlich Sinn ergeben können. Wer zweimal im Jahr ein Video benötigt, finanziert damit ein permanentes Team für sporadische Aufträge.
Die kreative Dimension wird häufig unterschätzt. Ein internes Team entwickelt über die Zeit einen bestimmten visuellen Stil, eine Handschrift. Das kann Markenkonsistenz fördern – oder zu gestalterischer Betriebsblindheit führen. Externe Perspektiven, frische Ansätze, unkonventionelle Lösungen entstehen seltener, wenn dieselben Köpfe an jedem Projekt arbeiten. Manche Unternehmen lösen das durch Rotationen oder externe Workshops. Andere akzeptieren es als Preis für interne Kontrolle.
Der Agenturweg: Expertise gegen Abhängigkeit
Eine spezialisierte Erklärvideo-Agentur bringt von Beginn an eine vollständige Produktionskette mit. Kreativteams, die hunderte Projekte durchlaufen haben. Technisches Know-how, das sich über Jahre akkumuliert hat. Prozesse, die auf Effizienz getrimmt sind. Für Unternehmen ohne eigene Videokapazitäten ist das der direkteste Weg zu professionellen Ergebnissen.
Die Zusammenarbeit beginnt meist mit einem Briefing. Hier zeigt sich bereits die erste Hürde: Wie übersetzt sich interne Unternehmenssprache in Bildkonzepte? Agenturen sind darauf trainiert, aus abstrakten Anforderungen konkrete Storyboards zu entwickeln. Doch ohne tiefes Verständnis der Marke, der Zielgruppe, der strategischen Positionierung bleibt vieles Interpretation. Manche Unternehmen erleben diesen Prozess als fruchtbaren Dialog. Andere als mühsame Übersetzungsarbeit, bei der jede Iteration Zeit und Geld kostet.
Qualität hat bei Agenturen ihren Preis – und ihre Varianz. Der Markt reicht von spezialisierten Boutique-Studios, die ausschließlich hochwertige 2D-Animationen produzieren, bis zu Full-Service-Dienstleistern, die von Realfilm über Motion Graphics bis zu interaktiven Formaten alles abdecken. Die Preisspanne entsprechend: zwischen 3.000 und 30.000 Euro pro Minute Filmlänge, abhängig von Komplexität, Stil und Agenturpositionierung.
Der strategische Vorteil externer Produktion liegt in der Flexibilität. Ein Unternehmen kann für unterschiedliche Projekte unterschiedliche Partner wählen. Ein technisches Whiteboard-Video bei einer Agentur, ein emotionales Charaktervideo bei einer anderen. Kein langfristiges Commitment, keine Fixkosten bei Auftragsflauten. Das funktioniert, solange die Markenkonsistenz über klare Styleguides und zentrale Steuerung gewahrt bleibt.
Doch Abhängigkeit entsteht subtiler, als viele denken. Wenn zentrale Entscheidungen über Bildsprache, Tonalität und Dramaturgie bei der Agentur liegen, verliert das Unternehmen schrittweise eigenes Know-how. Die Fähigkeit, kreative Qualität intern zu beurteilen, erodiert. Man kauft nicht nur ein Video, sondern überträgt auch ein Stück strategischer Kompetenz nach außen.
Die Kostenfrage: Rechnung mit vielen Variablen
Die finanziellen Überlegungen gehen weit über simple Preisvergleiche hinaus. Ein durchschnittlicher Erklärvideo-Freelancer oder Junior-Animator kostet intern zwischen 40.000 und 60.000 Euro Jahresgehalt – plus Sozialabgaben, Arbeitsplatz, Software, Equipment. Bei voller Auslastung lassen sich damit vielleicht 15 bis 20 kürzere Videos pro Jahr realisieren, abhängig von Komplexität und Revisionszahlen.
Eine Agenturproduktion für ein 90-Sekunden-Video im mittleren Qualitätssegment liegt bei etwa 8.000 bis 12.000 Euro. Hochgerechnet auf 15 Videos entspricht das 120.000 bis 180.000 Euro jährlich. Rein numerisch scheint Inhouse günstiger. Doch diese Rechnung ignoriert versteckte Faktoren: Urlaubszeiten, Krankheitsfälle, Weiterbildung, technische Ausfälle, Projektverzögerungen durch interne Prioritätenkonflikte.
Agenturen kalkulieren anders. Sie verteilen Fixkosten auf ein Portfolio von Kunden. Spezialisierung ermöglicht Effizienzgewinne. Ein erfahrenes Team produziert schneller und mit weniger Iterationen. Was bei interner Produktion zwei Wochen dauern kann, schafft eine eingespieltes Agentur-Team in fünf Tagen. Zeit ist Geld – besonders im Marketing, wo Launch-Termine selten verschoben werden können.
Die Break-even-Analyse wird erst klar, wenn realistische Produktionsvolumina und Qualitätsansprüche definiert sind. Ein Unternehmen, das monatlich Videos für Social Media, Produktlaunches und interne Schulungen benötigt, erreicht schnell die kritische Masse für ein kleines Inhouse-Team. Wer quartalsweise ein hochwertiges Erklärvideo plant, finanziert mit festangestellten Mitarbeitern vor allem Leerlauf.
Hybride Modelle: Das Beste aus beiden Welten?
Manche Unternehmen entwickeln Mischformen. Ein kleines internes Kernteam übernimmt Konzeption, Projektmanagement und einfachere Produktionen. Komplexe Animationen, spezialisierte Illustrationsstile oder aufwendige Realfilmproduktionen werden gezielt ausgelagert. Diese Konstellation erfordert ausgeprägte Schnittstellenkompetenz, bringt aber auch strategische Vorteile.
Die interne Basis sichert Markenwissen und kreative Kontinuität. Externe Partner liefern technische Exzellenz und frische Perspektiven. Entscheidend ist die Fähigkeit, diese Zusammenarbeit zu orchestrieren. Klare Briefings, präzise Qualitätsstandards, funktionierende Feedbackschleifen. Wenn das gelingt, entsteht ein flexibles System, das schnell skaliert und unterschiedliche Anforderungen bedient.
Technologische Entwicklungen verschieben die Gewichte. Laut aktuellen Social-Video-Trends im Marketing der absatzwirtschaft wird 2025 die Effizienz durch KI-gestützte Skripterstellung um bis zu 50 Prozent gesteigert, was die Produktionskosten signifikant senkt. KI-gestützte Animationstools senken Einstiegshürden für Inhouse-Produktion. Plattformen wie Vyond oder Animaker ermöglichen einfache Erklärvideos ohne tiefe Animationskenntnisse. Für standardisierte Formate – etwa FAQ-Videos oder Produkttutorials – können diese Tools ausreichen. Für anspruchsvolle Markenfilme bleiben sie jedoch limitiert.
Gleichzeitig professionalisiert sich der Agenturmarkt. Spezialisierte Studios bieten modulare Pakete: vom reinen Storyboard-Service über Animation-as-a-Service bis zu vollständigen Produktionsbetreuungen. Unternehmen können präziser einkaufen, was sie wirklich benötigen, statt Komplettlösungen zu bezahlen.
Strategische Dimensionen: Mehr als Produktionsfragen
Die Entscheidung zwischen Inhouse und extern berührt grundlegende Fragen der Unternehmenskultur. Wie wichtig ist visuelle Kommunikation für die Marke? Ist Video ein taktisches Instrument oder strategisches Asset? Soll internes Know-how aufgebaut werden, oder liegt der Fokus auf schneller Umsetzung?
Unternehmen, die Videomarketing als Kernkompetenz verstehen, tendieren zu internen Strukturen. Sie investieren in Fähigkeiten, die langfristig Wettbewerbsvorteile schaffen. Andere sehen Videos als einen von vielen Kommunikationskanälen – wichtig, aber nicht zentral genug für den Aufbau eigener Produktionskapazitäten.
Die Geschwindigkeit von Marktveränderungen spielt ebenfalls eine Rolle. In schnelllebigen Branchen wie Tech oder E-Commerce können interne Teams agiler reagieren. Keine Abstimmungsschleifen mit externen Partnern, keine Wartezeiten in Agentur-Pipelines. Kampagnen lassen sich in Echtzeit anpassen, A/B-Tests schneller durchführen, Learnings unmittelbar umsetzen.
Umgekehrt profitieren Branchen mit längeren Produktzyklen – etwa Maschinenbau oder Pharma – von der strategischen Tiefe externer Spezialisten. Hier geht es oft um komplexe Sachverhalte, die didaktisch und visuell höchste Präzision erfordern. Agenturen mit Branchenerfahrung bringen Vorwissen mit, das intern erst mühsam aufgebaut werden müsste.
Die Qualitätsfrage: Messbar oder Gefühlssache?
Wie misst man die Qualität eines Erklärfilms? Conversion-Rates, View-Durations, Engagement-Metriken liefern quantitative Anhaltspunkte. Doch viele Faktoren bleiben subjektiv: ästhetische Stimmigkeit, narrativer Flow, emotionale Wirkung. Ein intern produziertes Video kann technisch sauber sein, aber die kreative Schärfe einer Agenturproduktion vermissen lassen. Ein Agenturvideo kann visuell beeindrucken, aber an der Markentonalität vorbeizielen.
Inhouse-Teams entwickeln über die Zeit ein implizites Verständnis für Markenwerte. Sie kennen die internen Diskussionen, die strategischen Prioritäten, die kulturellen Nuancen. Das kann zu authentischeren Ergebnissen führen – oder zu unkritischer Nähe, die Schwächen übersieht. Externe Produzenten bringen analytische Distanz mit. Sie hinterfragen Briefings, fordern Klarheit, zwingen zur Präzision. Das kann unbequem sein, führt aber oft zu schärferen Konzepten.
Die Lernkurve unterscheidet sich fundamental. Wie Ergebnisse zur Content-Produktion von pressebox zeigen, bleibt interne Expertise ein wertvolles Unternehmensasset, das durch Outsourcing langfristig verloren gehen kann. Ein Inhouse-Team verbessert sich kontinuierlich, Projekt für Projekt. Nach zwei Jahren hat es eine eigene kreative Reife entwickelt. Agenturen starten auf höherem Niveau, ihre Lernkurve ist flacher – sie optimieren Bestehendes, statt Grundlagen zu entwickeln. Für Unternehmen, die langfristig denken, kann internes Wachstum wertvoller sein als eingekaufte Perfektion.
Der Entscheidungsrahmen: Kriterien statt Formeln
Es gibt keine universelle Antwort auf die Frage „Inhouse oder extern?". Stattdessen hilft ein strukturierter Kriterienkatalog:
Produktionsvolumen: Mehr als ein Video pro Monat rechtfertigt interne Kapazitäten. Weniger spricht für projektbasiertes Outsourcing.
Komplexität: Standardisierte Formate eignen sich für interne Produktion. Hochspezialisierte Anforderungen – etwa medizinische 3D-Animationen oder komplexe Motion Graphics – bleiben meist Agenturdomäne.
Markenzentrierung: Ist visuelle Kommunikation strategisches Differenzierungsmerkmal? Dann lohnt internes Investment. Dient Video primär funktionalen Zwecken, reicht oft externe Produktion.
Flexibilitätsbedarf: Schwankende Auftragslagen sprechen für Agenturen. Konstanter Bedarf rechtfertigt feste Strukturen.
Budget: Langfristig können Inhouse-Teams günstiger sein – wenn die Auslastung stimmt. Kurzfristig ist externe Produktion kalkulierbarer.
Know-how-Strategie: Soll Kompetenz intern aufgebaut werden? Oder liegt der Fokus auf Kerngeschäft, während Spezialaufgaben ausgelagert werden?
Diese Faktoren sind selten eindeutig. Die meisten Unternehmen bewegen sich in Grauzonen, wo mehrere Modelle funktionieren könnten. Die Entscheidung hängt dann von kulturellen Präferenzen, verfügbaren Talenten und Risikobereitschaft ab.
Zwischen den Polen: Eine Frage der Haltung
Die Wahl zwischen interner und externer Erklärfilmproduktion ist keine technische Optimierungsfrage. Sie spiegelt wider, wie ein Unternehmen über kreative Arbeit denkt. Ist sie ein Handwerk, das man beherrschen will? Oder ein Service, den man einkauft? Beides hat Legitimität. Beides kann erfolgreich sein.
Was nicht funktioniert: halbherzige Lösungen. Ein unterbesetztes Inhouse-Team, das permanent am Limit arbeitet. Oder eine Agenturbeziehung ohne klare Strategie, bei der jedes Projekt neu verhandelt wird. Die schlechtesten Ergebnisse entstehen dort, wo Entscheidungen aus falschen Motiven getroffen werden – Kostendruck ohne Ressourcenplanung, Kontrollbedürfnis ohne Investitionsbereitschaft, Qualitätsanspruch ohne Wertschätzung interner Arbeit.
Zwischen Werkbank und Agentur liegt kein Entweder-Oder, sondern ein Kontinuum strategischer Möglichkeiten. Die Reise beginnt mit der ehrlichen Frage: Was brauchen wir wirklich? Und endet mit der Bereitschaft, diese Antwort konsequent umzusetzen – ob mit eigenem Team, externen Partnern oder einer durchdachten Kombination aus beidem.




































































































