Letzte Woche hat mir eine HR-Leiterin erzählt, dass ihr 180-seitiges Onboarding-Handbuch eine Öffnungsrate von 12 Prozent hat. Zwölf. Prozent. Der Rest? Liegt digital verstaubt auf irgendeinem SharePoint-Server, während neue Mitarbeiter ratlos vor SAP-Masken sitzen und nicht wissen, wo der "Speichern"-Button ist.
Willkommen in der Realität des modernen Wissensmanagements. Wir produzieren Unmengen an Dokumentationen, Prozessbeschreibungen und Handbüchern – und niemand liest sie. Nicht aus Faulheit. Sondern weil unser Gehirn seit Jahrtausenden darauf trainiert ist, visuell zu lernen. Nicht durch Fließtext in Arial 11.
Die Lösung? Erklärfilme. Aber nicht irgendwelche. Sondern strategisch eingesetzte, durchdacht produzierte Videos, die Wissen dort verfügbar machen, wo es gebraucht wird. Klingt simpel, ist aber ein Gamechanger für jedes Unternehmen, das sein internes Wissen ernst nimmt.
Warum schriftliche Dokumentationen scheitern
Stell dir vor, du musst einem neuen Kollegen erklären, wie euer CRM-System funktioniert. Gibst du ihm ein 40-seitiges PDF? Oder zeigst du ihm in fünf Minuten am Bildschirm, wo er was findet?
Genau. Wir alle wissen, dass direkte Demonstration funktioniert. Trotzdem setzen die meisten Unternehmen auf kilometerlange Wiki-Artikel, PowerPoint-Präsentationen aus 2017 und PDF-Handbücher, die niemand durchsucht, weil die Suche nicht funktioniert.
Das Problem liegt tiefer als nur "zu viel Text". Schriftliche Dokumentationen sind statisch. Sie zeigen keine Bewegung, keine Abläufe, keine User Interfaces in Aktion. Wenn ich lese "Klicken Sie auf das Dropdown-Menü in der oberen rechten Ecke", muss ich mir das vorstellen. Bei einem Screencast sehe ich's einfach. Erklärvideo erstellen war noch nie so wichtig wie heute.
Hinzu kommt: Menschen lernen unterschiedlich. Manche brauchen visuelle Reize, andere auditive. Ein Video bedient beide Kanäle gleichzeitig. Text? Nur einen.
Erklärfilme als Herzstück intelligenten Wissensmanagements
Jetzt wird's interessant. Ein Erklärfilm im Kontext von Wissensmanagement ist nicht einfach nur "ein Video statt Text". Es ist ein strategisches Werkzeug, das Wissen strukturiert, zugänglich und – das ist der Clou – nachhaltig verfügbar macht.
Der Unterschied zu klassischen Schulungsformaten? Erklärfilme sind on-demand. Dein Mitarbeiter braucht um 23 Uhr eine Info, wie er einen Supportfall eskaliert? Video an, Problem gelöst, weitermachen. Kein Warten auf den nächsten Schulungstermin, kein Durchforsten von Dokumenten.
Außerdem – und das wird oft unterschätzt – sorgen Videos für Einheitlichkeit. Wenn zehn verschiedene Abteilungsleiter zehn verschiedene Versionen derselben Prozessbeschreibung erzählen, entsteht Chaos. Ein gut produzierter Erklärfilm garantiert: Alle bekommen dieselbe Information. In derselben Qualität. Jedes Mal.
Was funktioniert besonders gut? Prozesse mit visuellen Komponenten. Software-Einführungen. Compliance-Themen, die sonst in juristischem Kauderwelsch ersticken. Onboarding-Abläufe. Alles, wo du normalerweise sagen würdest: "Komm, ich zeig's dir kurz."
Diese Formate rocken im internen Wissenstransfer
Nicht jedes Video ist gleich. Für Wissensmanagement brauchst du spezifische Formate – je nachdem, was du vermitteln willst.
Screencasts sind die Arbeitspferde für alles, was Software betrifft. Tool-Einführungen, Dashboard-Erklärungen, Workflow-Demonstrationen. Einfach Bildschirm aufnehmen, Voiceover drüber, fertig. Klingt banal, ist aber unfassbar effektiv. Gerade bei IT-Tools oder komplexen Systemen.
Animierte Erklärfilme eignen sich hervorragend für abstrakte Konzepte oder Prozesse, die man nicht einfach "zeigen" kann. Wie funktioniert unser Beschwerdemanagement? Was passiert, wenn ein Kunde reklamiert? Welche Abteilungen sind involviert? Animation macht's sichtbar. Und ehrlich gesagt auch sympathischer als trockene Organigramme.
Realfilm-Formate kommen ins Spiel, wenn's um Soft Skills, Unternehmenskultur oder persönliche Kommunikation geht. Ein Video, in dem echte Kollegen zeigen, wie ein gelungenes Mitarbeitergespräch aussieht, wirkt anders als eine Cartoon-Figur, die dasselbe erklärt.
Hybrid-Formate – also eine Mischung aus allem – funktionieren bei komplexen Themen. Ein Realfilm-Intro, dann Screencast für die technische Demo, zum Schluss eine Animation für die Zusammenfassung. Klingt aufwendig? Ist es manchmal auch. Aber wenn's um kritische Prozesse geht, lohnt sich der Aufwand.
Was du vermeiden solltest: Zehnminütige Monologe ohne Schnitt. Videos ohne Struktur. Oder – mein persönlicher Favorit im negativen Sinne – PowerPoint-Slides als Video exportiert mit roboterhafter Computerstimme. Das schaut sich niemand an.
Integration ins Wissensmanagement-System
Hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Du kannst die besten Erklärfilme der Welt produzieren – wenn sie niemand findet, bringen sie nichts.
Die meisten Unternehmen haben irgendeine Form von zentralem System. Intranet, Confluence, SharePoint, ein Learning Management System. Und genau dort müssen deine Videos hin. Nicht auf irgendeinem Netzlaufwerk versteckt. Sondern prominent platziert, leicht durchsuchbar, mit klaren Kategorien.
Best Practice? Modulare Video-Bibliotheken. Organisiert nach Themen, Abteilungen oder Prozessen. Mit Thumbnails, die auf den ersten Blick zeigen, worum's geht. Mit Tags und Suchfunktion. Idealerweise auch mit Transkripten – das hilft nicht nur bei der Barrierefreiheit, sondern macht Videos durchsuchbar.
Noch einen Schritt weiter: Kontextuelle Einbettung. Stell dir vor, dein CRM-System hätte direkt in der Oberfläche kleine Video-Buttons. "Wie erstelle ich einen neuen Lead?" – Klick, Video startet, zeigt's dir. Ohne dass du erst ins Intranet musst, dort suchen, dann zurück ins CRM. Das ist next level.
Manche Unternehmen gehen sogar so weit, dass sie Schulungsvideos in Chatbots integrieren. Mitarbeiter stellt eine Frage, Bot erkennt das Thema, spielt passendes Video ab. Klingt nach Zukunftsmusik, läuft aber bereits bei einigen Tech-Firmen.
Welche Themen schreien nach visueller Aufbereitung
Nicht alles muss ein Video werden. Aber manche Themen? Die brauchen Videos geradezu verzweifelt.
Compliance und rechtliche Themen stehen ganz oben auf der Liste. DSGVO, Arbeitssicherheit, Anti-Korruptions-Richtlinien – normalerweise der Horror jeder Schulung. Mit Erklärfilmen? Plötzlich verständlich. Ein animiertes Szenario, das zeigt, was passiert, wenn personenbezogene Daten falsch behandelt werden, bleibt im Kopf. Besser als jeder Paragraphentext.
IT-Tools und Software-Einführungen sind ein No-Brainer. Jedes neue Tool, jedes Update, jede neue Funktion verdient ein kurzes Tutorial-Video. Drei Minuten Screencast sparen Stunden an Support-Tickets.
Onboarding-Prozesse werden durch Videos nicht nur effizienter, sondern auch menschlicher. Statt dass neue Mitarbeiter sich durch Textberge kämpfen, bekommen sie visuelle Guides. Wie funktioniert das Zeiterfassungssystem? Wo finde ich die Kantine? Wie melde ich Urlaub an? Alles easy per Video.
Produkt- und Prozesswissen – vor allem in technischen oder produzierenden Unternehmen – lässt sich hervorragend visualisieren. Wie wird eine Maschine gewartet? Welche Qualitätsstandards gelten? Wie läuft der Produktionsprozess ab? Videos machen Zusammenhänge sichtbar, die in Text untergehen würden.
Modular denken, bedarfsgerecht liefern
Hier kommt ein Konzept ins Spiel, das viele unterschätzen: Modularität.
Statt einen 45-minütigen Mega-Film zu produzieren, der alles über ein Thema abdeckt, produzierst du zwanzig 2-Minuten-Clips. Jeder fokussiert auf einen spezifischen Aspekt. Jeder ist eigenständig nutzbar.
Warum das brillant ist? Weil Menschen selten "alles" wissen müssen. Sie brauchen gezielt die eine Info, die sie gerade weiterbringt. Wenn ich wissen will, wie ich in unserem HR-System einen Urlaubsantrag storniere, will ich kein 20-Minuten-Video über "Das komplette HR-System". Ich will 90 Sekunden: "Urlaubsantrag stornieren – so geht's".
Modulare Videos lassen sich außerdem leichter aktualisieren. Ändert sich ein Prozessschritt? Du musst nur das eine 2-Minuten-Modul neu produzieren, nicht das gesamte Video-Kompendium.
Und – noch ein Vorteil – sie lassen sich zu größeren Lernpfaden kombinieren. Neuer Mitarbeiter im Vertrieb? Bekommt eine Playlist aus zehn relevanten Modulen. Jemand aus dem Support? Eine andere Kombination. Gleiches Video-Material, unterschiedliche Zusammenstellung. Effizient.
Interaktivität und Gamification als Booster
Jetzt wird's noch spannender. Wissensmanagement-Videos müssen nicht passiv sein.
Interaktive Videos – also solche, wo Nutzer Entscheidungen treffen oder Fragen beantworten können – steigern die Lerneffektivität enorm. Stell dir ein Compliance-Video vor, das zwischendrin fragt: "Was würdest du in dieser Situation tun?" Drei Antwortoptionen, du klickst eine, das Video verzweigt sich entsprechend. Das ist kein Science-Fiction mehr, das geht mit Tools wie H5P oder speziellen Video-Plattformen.
Gamification-Elemente können ebenso simpel sein wie Fortschrittsbalken ("Du hast 7 von 12 Onboarding-Videos geschaut") oder komplexer mit Punktesystemen und Achievements. Klingt vielleicht albern, funktioniert aber. Menschen mögen es, Dinge abzuschließen. Eine vollständige Video-Serie zu schauen fühlt sich wie eine Leistung an.
Manche Unternehmen gehen soweit, dass sie interne Zertifikate vergeben. "Du hast alle Videos zum Thema IT-Sicherheit absolviert – hier ist dein Zertifikat." Erhöht nicht nur die Motivation, sondern auch die Compliance-Quote.
Was ebenfalls gut funktioniert: Quizze nach Videos. Drei kurze Fragen, um zu checken, ob die Kernbotschaft angekommen ist. Nicht als Prüfung, sondern als Lernhilfe. Und nebenbei kriegst du als Unternehmen Daten darüber, wo's noch hakt.
Erfolg messen, nicht raten
Hier wird's pragmatisch. Woher weißt du, ob deine Erklärfilme im Wissensmanagement funktionieren?
View-Zahlen sind der offensichtlichste Indikator. Wie oft wird ein Video angeschaut? Aber Achtung: Views allein sagen wenig. Interessanter ist die Watch-Time. Schauen Leute das Video komplett oder brechen sie nach zehn Sekunden ab?
Completion-Rate zeigt dir, welche Videos bis zum Ende geschaut werden – und welche nicht. Liegt die Rate durchgehend unter 50 Prozent, stimmt was nicht. Entweder ist das Video zu lang, zu langweilig oder behandelt das falsche Thema.
Support-Tickets sind ein indirekter, aber mächtiger KPI. Gehen die Anfragen zu einem bestimmten Thema zurück, nachdem du ein Video dazu produziert hast? Glückwunsch, es funktioniert. Bleiben die Tickets konstant? Das Video erreicht entweder nicht die Zielgruppe oder erklärt nicht gut genug.
Feedback-Mechanismen direkt unter den Videos helfen auch. Ein simples "War dieses Video hilfreich?" mit Daumen hoch/runter gibt dir qualitatives Feedback. Noch besser: Ein Kommentarfeld, wo Leute sagen können, was fehlt oder unklar ist.
Was viele vergessen: Nutzung im Zeitverlauf. Ein Video, das direkt nach Launch gut läuft, dann aber einbricht, könnte veraltet sein. Oder das Problem, das es löst, existiert nicht mehr. Videos, die konstant über Monate genutzt werden, treffen offensichtlich einen Nerv.
Langfristige Pflege: Der unterschätzte Faktor
Hier scheitern viele. Sie produzieren Videos, feiern den Launch – und dann? Passiert nichts mehr.
Videos altern. Prozesse ändern sich. Software-Updates kommen raus. Organisationsstrukturen verschieben sich. Ein Video aus 2021 über euer CRM-System ist 2025 möglicherweise nutzlos, wenn die Oberfläche komplett anders aussieht.
Deshalb: Etabliere von Anfang an einen Review-Prozess. Halbjährlich oder jährlich durchgehst du die Video-Bibliothek und checkst: Was ist noch aktuell? Was muss aktualisiert werden? Was kann gelöscht werden?
Modulare Videos helfen hier enorm, wie vorhin erwähnt. Statt komplette Videos neu zu produzieren, tauschst du einzelne Module aus. Das spart Zeit und Budget.
Wichtig ist auch: Verantwortlichkeiten klären. Wer ist für welchen Themenbereich zuständig? Wer meldet, wenn ein Prozess sich ändert? Wer koordiniert die Aktualisierung? Ohne klare Ownership verkümmern selbst die besten Video-Bibliotheken.
Manche Unternehmen arbeiten mit Versionierung. Video v1, v2, v3 – jede Version wird archiviert, die aktuelle ist prominent. Das hat den Vorteil, dass du nachvollziehen kannst, wie sich Prozesse entwickelt haben. Und wenn doch mal jemand sagt "Aber vor zwei Jahren ging das anders", kannst du die alte Version zeigen.
Was die Profis richtig machen
Best Practices aus der Praxis – weil Theorie schön und gut ist, aber die Realität zeigt, was wirklich funktioniert.
Kurze Produktionszyklen etablieren. Statt monatelang das perfekte Video zu planen, lieber schneller raus mit einer 80-Prozent-Lösung. Feedback einholen, iterieren, verbessern. Videos sind nicht in Stein gemeißelt.
Interne Champions aufbauen. In jeder Abteilung gibt es Leute, die Bock haben, Wissen zu teilen. Mach die zu Video-Botschaftern. Gib ihnen einfache Tools in die Hand, lass sie Content produzieren. Das skaliert besser als wenn alles über eine zentrale Stelle läuft.
Konsistente visuelle Sprache nutzen. Wenn jedes Video anders aussieht, wirkt's unprofessionell. Entwickle ein Template: Intro, Outro, einheitliche Schriften, Corporate Colors. Das schafft Wiedererkennung und Vertrauen.
Audio nicht unterschätzen. Ein Video mit mieser Tonqualität wird nicht geschaut. Punkt. Investiere in vernünftige Mikros oder Voiceover. Guter Ton ist wichtiger als perfektes Bild.
Plattform-Wahl strategisch treffen. Nicht jede Lösung passt für jedes Unternehmen. Manche brauchen YouTube unlisted, andere einen dedizierten LMS-Provider, wieder andere hosten lieber selbst. Wichtig: Die Plattform muss zu euren Sicherheitsanforderungen und zur Nutzerfreundlichkeit passen.
Warum das mehr ist als nur "moderne Dokumentation"
Hier ist die Sache: Erklärfilme im Wissensmanagement sind kein Nice-to-have. Sie sind eine fundamentale Antwort auf die Frage, wie Unternehmen in einer immer komplexeren Welt Wissen so organisieren, dass es tatsächlich genutzt wird.
Die Generation, die jetzt in Unternehmen nachrückt, ist mit YouTube und TikTok aufgewachsen. Deren erste Reaktion auf ein Problem? Video suchen, nicht Handbuch lesen. Wenn du als Unternehmen relevant bleiben willst, musst du dort hin, wo deine Leute sind. Und die sind im Video-Modus.
Aber es geht über Generationenfragen hinaus. Videos demokratisieren Wissen. Sie machen komplexe Informationen zugänglich – auch für Menschen, die nicht perfekt Deutsch sprechen, die Leseschwierigkeiten haben oder einfach visuell besser lernen. Das ist nicht nur inklusiv, das ist auch wirtschaftlich smart.
Nachhaltigkeit spielt ebenfalls rein. Wissen, das nur in den Köpfen einzelner Mitarbeiter existiert, geht verloren, wenn diese gehen. Wissen, das systematisch in Videos festgehalten wird, bleibt. Es wird Teil der Unternehmens-DNA. Und es wächst mit.
Was mich persönlich fasziniert: Wie schnell sich das Mindset verschiebt, sobald Unternehmen anfangen. Erst sind alle skeptisch – "Wer soll das denn produzieren?" Nach den ersten erfolgreichen Videos kommt: "Können wir für mein Thema auch eins machen?" Plötzlich entsteht eine Video-Kultur. Und dann passiert echte Transformation.
Der Moment, in dem ein Unternehmen begreift, dass Wissensmanagement keine Archivierungsaufgabe ist, sondern ein lebendiger Austausch – und dass Erklärfilme das Medium sind, das diesen Austausch ermöglicht – dieser Moment verändert alles. Dann wird aus einem verstaubten Wiki eine dynamische Lernplattform. Aus passiven Dokumentenfriedhöfen werden aktive Wissensquellen.
Vielleicht ist das die eigentliche Revolution: Dass wir aufhören, Wissen zu verstecken, und anfangen, es zu teilen. Visuell, verständlich, menschlich.