Ein Kunde entdeckt dein Unternehmen zum ersten Mal. Innerhalb von drei Sekunden entscheidet sein Gehirn, ob er bleibt oder weiterzieht. Dann kommt die Verwirrung: Zu viele Optionen, zu viele Konkurrenten, zu wenig Vertrauen. Schließlich kauft er – oder auch nicht. Und wenn doch, dann beginnt erst die eigentliche Arbeit: Ihn zum treuen Fan zu machen.
Diese Reise durchläuft jeder deiner Kunden. Jeden Tag. Die Frage ist nur: Lässt du sie allein stolpern, oder begleitest du sie geschickt bis zum Ziel?
Genau hier kommen Erklärvideos ins Spiel. Sie sind wie ein persönlicher Guide, der zur richtigen Zeit am richtigen Ort auftaucht und genau das erklärt, was der Kunde gerade braucht.
Die Customer Journey verstehen: Mehr als nur ein Marketing-Buzzword
Die Customer Journey ist keine abstrakte Theorie aus dem Lehrbuch. Sie ist die emotionale und rationale Achterbahnfahrt, die jeder Kunde durchlebt – bewusst oder unbewusst.
Traditionell sprechen Marketer von fünf bis sieben Phasen. Awareness, Consideration, Purchase, Onboarding, Retention, Advocacy. Klingt ordentlich, oder? In Wirklichkeit ist es ein ziemliches Durcheinander. Kunden springen vor und zurück, informieren sich parallel auf drei Kanälen und treffen Entscheidungen nach Kriterien, die wir nie erwartet hätten.
Aber eines bleibt konstant: In jeder Phase haben Menschen unterschiedliche Bedürfnisse, Ängste und Fragen. Und genau da setzen clevere Erklärvideos an.
Ein gut platziertes, 90-sekündiges Erklärvideo kann mehr bewirken als eine zehnseitige Broschüre. Warum? Weil es zur richtigen Zeit die richtige Botschaft vermittelt. Nicht zu früh, nicht zu spät. Sondern dann, wenn der Kunde bereit ist zuzuhören. Übrigens, wenn du wissen willst, was Erklärvideos eigentlich so effektiv macht, lohnt sich ein Blick auf die psychologischen Mechanismen dahinter.
Phase 1: Awareness – Wenn Probleme sichtbar werden
In der Awareness-Phase weiß dein potenzieller Kunde noch gar nicht, dass du existierst. Er spürt nur: Da ist ein Problem. Ein Bedürfnis. Eine Unzufriedenheit.
Hier machst du den größten Fehler, wenn du direkt mit deinem Produkt ankommst. Stattdessen sollten deine Erklärvideos das Problem in den Mittelpunkt stellen. Zeig ihm, dass du seine Welt verstehst.
Nehmen wir ein B2B-Software-Unternehmen. Statt zu erklären, wie toll ihre CRM-Lösung ist, produzieren sie ein Video mit dem Titel: "Warum verschwinden 60% Ihrer Leads spurlos?" Das Video zeigt typische Szenarien: E-Mails, die untergehen, Kundenanfragen, die vergessen werden, Vertriebsmitarbeiter, die sich mit Excel-Listen herumschlagen.
Plötzlich denkt der Zuschauer: "Genau das Problem haben wir auch!"
Effektive Awareness-Videos haben gemeinsame Merkmale:
- Sie sprechen Emotionen an, nicht nur Fakten
- Sie verwenden die Sprache der Zielgruppe, nicht Marketing-Jargon
- Sie stellen Fragen, die zum Nachdenken anregen
- Sie bieten erste, wertvolle Einsichten – ohne gleich zu verkaufen
Die besten Plattformen für diese Phase? Social Media, YouTube, Content-Marketing-Blogs. Überall dort, wo Menschen zufällig auf deine Inhalte stoßen.
Phase 2: Consideration – Der Vergleichs-Marathon beginnt
Jetzt wird's interessant. Dein potenzieller Kunde weiß, dass er ein Problem hat. Und er weiß, dass es Lösungen gibt. Viele Lösungen. Zu viele.
In der Consideration-Phase vergleicht er dich mit deinen Konkurrenten. Er recherchiert, liest Bewertungen, fragt Kollegen. Die Verhaltensökonomie hilft Unternehmen zu verstehen, warum Kunden trotz rationaler Alternativen oft emotional entscheiden – denn gerade bei großer Auswahl entsteht schnell Entscheidungsstress, der den Kaufprozess bremst. Sein Kopf schwirrt vor lauter Optionen.
Hier ist deine Chance, ihm die Entscheidung zu erleichtern. Aber nicht, indem du ihm erzählst, wie großartig du bist. Sondern indem du ihm hilfst, die richtige Frage zu stellen.
Ein Beispiel: Ein Unternehmen für Cybersecurity-Lösungen könnte ein Video erstellen: "Die 5 kritischen Fragen, die Sie Ihrem IT-Sicherheitsanbieter stellen sollten." Das Video erklärt, worauf es wirklich ankommt – Compliance-Standards, Reaktionszeiten, Skalierbarkeit.
Natürlich schneiden sie selbst in all diesen Bereichen gut ab. Aber das sagen sie nicht direkt. Sie lassen den Zuschauer selbst zu dieser Erkenntnis kommen.
Diese Art von Content funktioniert besonders gut:
- Vergleichsvideos, die Kategorien erklären, nicht nur Produkte
- "Worauf Sie achten sollten"-Formate
- Häufige Fehler und wie man sie vermeidet
- Checklisten und Bewertungskriterien
Apropos, wo finden solche Videos ihre Zielgruppe? Auf der Website, in E-Mail-Kampagnen, in Webinaren. Also dort, wo Menschen landen, wenn sie aktiv nach Lösungen suchen.
Phase 3: Decision – Vertrauen entscheidet
Die Decision-Phase ist der Moment der Wahrheit. Dein Kunde hat seine Hausaufgaben gemacht. Er weiß, was er will. Aber da ist diese kleine, nagende Stimme: "Was, wenn es nicht funktioniert?"
Hier geht es nicht mehr um Features oder Preise. Hier geht es um Vertrauen. Und nichts baut Vertrauen besser auf als echte Geschichten von echten Kunden.
Aber Vorsicht: Nicht diese gekünstelt-perfekten Testimonial-Videos, wo alles zu glatt klingt. Sondern ehrliche Einblicke in Herausforderungen und Lösungen.
Ein Hersteller von Industriemaschinen könnte zeigen, wie ein Kunde zunächst skeptisch war, dann aber binnen sechs Monaten seine Produktionskosten um 20% senken konnte. Mit konkreten Zahlen, mit Stolperstellen, mit dem Weg dorthin.
Oder noch besser: Live-Demos. Ein kurzes Video, das zeigt, wie das Produkt in der Realität funktioniert. Keine perfekte Studio-Aufnahme, sondern authentisch und nachvollziehbar. Wenn du mehr darüber erfahren möchtest, wie sich Produktvideos optimal erstellen lassen, gibt es dazu einen detaillierten Guide.
Was in Decision-Videos funktioniert:
- Konkrete Anwendungsfälle und Ergebnisse
- Transparente Darstellung von Implementierungsprozessen
- Antworten auf typische Bedenken und Einwände
- Klare nächste Schritte ohne Druck
Diese Videos gehören auf deine Produktseiten, in persönliche E-Mails vom Vertrieb, in Follow-up-Sequenzen. Also überall dorthin, wo die finale Entscheidung fällt.
Phase 4: Onboarding – Der kritische erste Eindruck
Du hast einen neuen Kunden gewonnen. Gratulation! Aber jetzt kommt der schwierige Teil: Die ersten 30 Tage entscheiden darüber, ob aus dem Kunden ein begeisterter Fan wird – oder ein stiller Kritiker.
Das Onboarding ist wie der erste Tag in einem neuen Job. Alles ist fremd, nichts funktioniert wie erwartet, und die Frustration steigt schnell.
Hier können Erklärvideos wahre Wunder bewirken. Sie ersetzen mehrstündige Schulungen, reduzieren Support-Anfragen und sorgen dafür, dass Kunden schneller zu ersten Erfolgserlebnissen kommen.
Ein SaaS-Unternehmen produzierte eine Serie von 2-Minuten-Videos für die wichtigsten Funktionen ihrer Software. Statt eines 50-seitigen Handbuchs bekommen neue Nutzer jeden Tag ein kurzes Video per E-Mail. "Tag 1: Ihr erstes Projekt anlegen", "Tag 3: Das Dashboard personalisieren", "Tag 7: Ihr erstes automatisiertes Workflow".
Das Ergebnis? Die Absprungrate neuer Kunden sank um 40%. Warum? Weil die Menschen das Gefühl hatten, Schritt für Schritt begleitet zu werden.
Effektive Onboarding-Videos haben klare Muster:
- Sie sind kurz und fokussiert auf eine einzige Aktion
- Sie zeigen konkrete Schritte, nicht abstrakte Konzepte
- Sie feiern kleine Erfolge und Meilensteine
- Sie antizipieren typische Stolpersteine
Phase 5: Retention – Aus Kunden werden Fans
Kunden zu behalten ist siebenmal günstiger, als neue zu gewinnen. Trotzdem investieren viele Unternehmen 90% ihrer Energie in Akquise und vernachlässigen die bestehende Kundenbasis.
Dabei ist die Retention-Phase die dankbarste für Erklärvideos. Hier kennst du deine Zielgruppe bereits. Du weißt, womit sie kämpfen, was sie brauchen, was sie schätzen.
Ein Fintech-Unternehmen bemerkte, dass viele Kunden nur einen Bruchteil der verfügbaren Features nutzten. Statt das zu ignorieren, produzierten sie monatliche "Power User"-Videos. Kurze Clips, die zeigen, wie erfolgreiche Kunden das Tool optimal nutzen.
"Wie Sarah mit einer simplen Regel ihre Sparquote verdoppelt hat." "Warum Michael seine Ausgaben-Kategorien neu organisiert hat – und 200 Euro monatlich spart."
Diese Videos landen nicht in der Werbung, sondern im internen Bereich der App. Als Belohnung für bestehende Kunden. Als Inspiration, mehr aus dem Service herauszuholen.
Die Wirkung ist verblüffend: Höhere Nutzungsraten, weniger Kündigungen, mehr Weiterempfehlungen. Das bestätigt auch unsere Erfahrung mit Erklärvideos für interne Schulungen – sie funktionieren oft besser als externe Werbemaßnahmen.
Smart gemachte Retention-Videos bieten:
- Advanced Tips und versteckte Features
- Success Stories ähnlicher Kunden
- Saisonale oder branchenspezifische Tipps
- Exklusive Einblicke in neue Entwicklungen
Phase 6: Advocacy – Wenn Kunden zu Botschaftern werden
Die Advocacy-Phase ist das Sahnehäubchen der Customer Journey. Hier verwandeln sich zufriedene Kunden in überzeugte Botschafter deiner Marke.
Aber dieser Wandel passiert nicht von selbst. Menschen teilen ihre positiven Erfahrungen nur dann, wenn sie sich besonders wertgeschätzt fühlen – oder wenn du es ihnen leicht machst.
Erklärvideos können beide Hebel bedienen. Sie können Kunden das Gefühl geben, Teil einer besonderen Community zu sein. Und sie können ihnen fertige Inhalte liefern, die sie gerne mit anderen teilen.
Ein B2B-Dienstleister für Logistik-Software lud seine erfolgreichsten Kunden ein, gemeinsam kurze Case-Study-Videos zu produzieren. Nicht als Werbung, sondern als wertvolle Inhalte für die gesamte Branche.
"Wie ein mittelständisches Logistik-Unternehmen seine Lieferzeiten um 30% verkürzte." Das Video erklärt die Strategie, zeigt konkrete Schritte und teilt messbare Ergebnisse.
Für den Kunden bedeutet das: Anerkennung in der Fachgemeinschaft, wertvolle PR, Positionierung als Innovationsführer. Für das Software-Unternehmen: authentische Testimonials und neue Leads aus der Zielgruppe.
Win-win, wie es im Buche steht.
Die richtigen Plattformen für jede Phase
Wo platzierst du welche Videos? Das ist fast so wichtig wie der Inhalt selbst.
In der Awareness-Phase funktionieren organische Social Media Posts, YouTube-Content und Gastbeiträge in relevanten Blogs. Menschen stolpern zufällig über deine Inhalte.
Consideration-Videos gehören auf deine Website, in E-Mail-Serien, in Content-Hubs und Ressourcen-Bereiche. Hier suchen Menschen aktiv nach Informationen.
Decision-Support-Videos landen direkt auf Produktseiten, in personalisierten E-Mails und in Vertriebsgesprächen. Also dort, wo konkrete Kaufentscheidungen fallen.
Onboarding-Content lebt in geschützten Kundenbereichen, in App-Tutorials, in E-Mail-Sequenzen und Help-Center-Artikeln.
Retention-Videos funktionieren in Kunden-Newslettern, in Product-Update-Mails, in Community-Bereichen und als Teil von Loyalty-Programmen.
Und Advocacy-Inhalte? Die gehören überall dorthin, wo deine Zielgruppe sich austauscht. LinkedIn, Fachkonferenzen, Partner-Netzwerke.
Erfolg messen: KPIs, die wirklich zählen
Wie misst du, ob deine Video-Strategie funktioniert? Views und Likes sind nett, aber wenig aussagekräftig.
Viel wichtiger sind phasenspezifische Metriken:
Awareness: Markenbekanntheit, organischer Traffic, Social Shares, Zeit auf der Website nach Video-Konsum
Consideration: Verweildauer, Download-Raten von weiterführenden Materialien, E-Mail-Anmeldungen, Webinar-Teilnahmen
Decision: Conversion-Raten, Sales Cycle Length, Anzahl der Touchpoints bis zum Kauf, Einwandbehandlung im Vertrieb
Onboarding: Time-to-Value, Aktivierungsraten, Support-Ticket-Volumen, Feature-Adoption
Retention: Customer Lifetime Value, Churn Rate, Upselling-Erfolg, Net Promoter Score
Advocacy: Referral-Rate, User-Generated Content, Online-Bewertungen, Weiterempfehlungsbereitschaft
Wichtig dabei: Betrachte nie einzelne Videos isoliert. Schau dir die gesamte Journey an. Wie bewegen sich Nutzer durch deine Inhalte? Wo springen sie ab? Wo konvertieren sie überdurchschnittlich gut?
Praxisbeispiele, die funktionieren
HubSpot hat die Inbound-Marketing-Academy zu einer der erfolgreichsten B2B-Content-Strategien überhaupt entwickelt. Kostenlose Erklärvideos zu Marketing, Sales und Service ziehen Menschen in der Awareness-Phase an. Detaillierte How-to-Guides helfen bei der Consideration. Und Product-Demos unterstützen die finale Entscheidung.
Das Geniale: Die meisten Videos verkaufen gar nicht direkt HubSpot. Sie verkaufen eine Denkweise – Inbound Marketing. Wer diese Denkweise übernimmt, braucht früher oder später ein Tool wie HubSpot.
Slack nutzt extrem kurze, fokussierte Videos für das Onboarding. Jedes Video erklärt exakt eine Funktion in maximal 60 Sekunden. Neue Nutzer können sofort mitmachen und erste Erfolgserlebnisse haben.
Dropbox setzt in der Decision-Phase auf Social Proof. Ihre Videos zeigen nicht Features, sondern Anwendungsfälle. Wie Kreativteams kollaborieren, wie Familien Erinnerungen teilen, wie Freiberufler mit Kunden arbeiten.
All diese Beispiele haben etwas gemeinsam: Sie denken vom Kundenbedürfnis her, nicht vom Produkt. Falls du dich fragst, welche verschiedenen Arten von Erklärvideos es überhaupt gibt und wann du welche einsetzt, hilft dir diese Übersicht weiter.
Die Zukunft der Video-Customer-Journey
Personalisierung wird der Game-Changer. Stell dir vor, ein Video passt sich automatisch an die Branche, die Unternehmensgröße oder das Verhalten des Zuschauers an. Conditional Content macht das bereits heute möglich.
Interaktive Videos werden Standard. Nicht nur passives Konsumieren, sondern aktive Entscheidungen im Video selbst. "Möchten Sie mehr über Funktion A oder B erfahren?" Ein Klick – und das Video springt zum entsprechenden Abschnitt.
KI-gestützte Video-Empfehlungen helfen dabei, den nächsten besten Content vorzuschlagen. Genau wie Netflix, nur für deine Business-Videos.
Und VR/AR wird komplexe B2B-Produkte erlebbar machen. Warum eine Fabrikanlage nur beschreiben, wenn Interessenten virtuell hindurchgehen können?
Mir ist kürzlich aufgefallen, wie oft ich selbst Videos schaue, bevor ich auch nur die kleinste Business-Entscheidung treffe. Software-Demos auf YouTube, Erfahrungsberichte auf LinkedIn, Tutorial-Videos vor dem Kauf neuer Tools. Wenn wir als Profis so arbeiten – wie wichtig muss Video dann erst für unsere Kunden sein?
Erklärvideos in der Customer Journey sind kein Marketing-Gimmick. Sie sind die natürliche Antwort auf veränderte Informations- und Kaufgewohnheiten. Menschen wollen verstehen, bevor sie kaufen. Sie wollen Erfolg haben, nachdem sie gekauft haben. Und sie wollen stolz darauf sein, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
Videos können all das leisten – wenn sie zur richtigen Zeit die richtigen Fragen beantworten.
Vielleicht geht es am Ende gar nicht darum, die perfekte Customer Journey zu designen. Sondern darum, ein verlässlicher Begleiter zu sein, wenn Menschen bereit sind, den nächsten Schritt zu gehen.