Du kennst das sicher: Der Beamer läuft, 47 Folien warten darauf, abgeklickt zu werden, und schon nach der dritten Bullet-Point-Liste denkst du dir – gibt's nicht was Besseres? Spoiler: Gibt es. Und zwar deutlich.
Während klassische PowerPoint-Präsentationen noch immer Meetingräume dominieren, haben sich längst Alternativen entwickelt, die alles anders machen. Erklärfilme erzählen Geschichten statt Listen abzuarbeiten. Infografiken verdichten komplexe Zusammenhänge auf einen Blick. Aber wie unterscheiden sich diese Formate wirklich von dem, was wir alle kennen?
Zeit für einen ehrlichen Vergleich – ohne Schönfärberei, dafür mit konkreten Fakten.
Struktur: Linear vs. vernetzt denken
PowerPoint folgt einem klaren Prinzip: Folie 1, dann Folie 2, dann Folie 3. Linear, chronologisch, vorhersagbar. Das funktioniert für manche Inhalte gut – etwa wenn du einen Prozess Schritt für Schritt erklären willst.
Erklärfilme brechen diese Linearität auf. Sie können in der Zeit springen, Rückblenden einbauen, Perspektiven wechseln. Ein Erklärvideo über Klimawandel startet vielleicht mit den Auswirkungen, springt zu den Ursachen, zeigt historische Entwicklungen – und verbindet alles zu einer nachvollziehbaren Geschichte.
Infografiken gehen noch einen Schritt weiter. Sie organisieren Information räumlich statt zeitlich. Der Betrachter entscheidet selbst, wo er anfängt, welchen Pfad er nimmt, was er vertiefen möchte. Was ist eine Infografik? – Eine Landkarte für komplexe Themen, die verschiedene Routen zulässt.
Klassische Präsentationen zwingen alle Zuschauer in dieselbe Geschwindigkeit. Manche sind schon drei Schritte weiter, andere noch beim ersten Punkt. Das ist, als würdest du eine Gruppe durch ein Museum führen – immer im Gleichschritt, unabhängig vom individuellen Interesse.
Aufmerksamkeit: Statisch vs. dynamisch
Hier wird's interessant. Eine PowerPoint-Folie ist wie ein Standbild – sie verändert sich nicht, es sei denn, der Presenter klickt weiter. Nach wenigen Sekunden hat das Gehirn alles erfasst und sucht nach neuen Reizen.
Erklärfilme sind das Gegenteil von statisch. Bewegung, Farbwechsel, neue Elemente, die ins Bild kommen – das Gehirn bleibt aktiv. Studien zeigen: Menschen können sich bewegte Inhalte bis zu 65% besser merken als statische. Nicht ohne Grund setzen erfolgreiche Erklärvideo-Beispiele auf ständige visuelle Veränderung.
Aber... und das ist wichtig... Bewegung um der Bewegung willen nervt. Sinnlose Animationen lenken ab statt zu helfen. Die Kunst liegt darin, Dynamik gezielt einzusetzen – um Aufmerksamkeit zu lenken, Zusammenhänge zu verdeutlichen, Emotionen zu transportieren.
Eine gut gestaltete Infografik schafft übrigens auch ohne Animation Dynamik. Durch Farbverläufe, Größenkontraste, bewusst gesetzte visuelle Pfade. Der Blick wandert, entdeckt, verweilt – auch ohne dass sich etwas bewegt.
Ton macht Musik
Hier haben klassische Präsentationen ein strukturelles Problem: Sie sind stumm. Klar, der Presenter redet dazu, aber die Folien selbst transportieren keine akustischen Informationen.
Voiceover in Erklärvideos ist mehr als nur gesprochener Text. Die Stimme transportiert Emotionen, Betonungen, Pausen. Sie kann ironisch sein, überrascht, nachdenklich. Sie macht aus nackten Fakten eine Geschichte mit Persönlichkeit.
Noch dazu kommt Musik, Soundeffekte, gezielte Stille. Ein Erklärvideo über Umweltverschmutzung kann mit bedrückenden Tönen beginnen und zu hoffnungsvoller Musik wechseln, wenn Lösungen präsentiert werden. Das wirkt – und zwar auf einer Ebene, die rationale Argumente allein nicht erreichen.
Aber auch hier gilt: Weniger ist manchmal mehr. Ein überproduziertes Erklärvideo mit Hollywoodreifer Vertonung kann genauso nerven wie eine langweilige Präsentation.
Zeitführung: Kontrolle vs. Rhythmus
PowerPoint gibt dem Presenter die Kontrolle. Er bestimmt das Tempo, macht Pausen, springt vor oder zurück. Das kann ein Vorteil sein – wenn der Presenter gut ist.
Ist er es nicht, wird's problematisch. Zu schnell, zu langsam, zu viele „Ähms", inhaltliche Sprünge. Die beste Folie hilft nichts, wenn die Präsentation schlecht vorgetragen wird.
Erklärfilme haben einen vorgegebenen Rhythmus. Jede Sekunde ist geplant, jeder Übergang getimed. Das sorgt für Konsistenz – jeder Zuschauer bekommt dasselbe Erlebnis. Aber es bedeutet auch: keine Flexibilität. Fragen können nicht spontan beantwortet werden, Vertiefungen sind nicht möglich.
Infografiken geben die Zeitkontrolle komplett an den Betrachter ab. Drei Sekunden Überblick oder zehn Minuten Detailstudium – beides ist möglich. Moderne Infografiken sind ein essenzielles Werkzeug der digitalen Kommunikation und machen komplexe Daten auf einen Blick verständlich. Das ist besonders wertvoll, wenn unterschiedliche Zielgruppen dasselbe Material nutzen sollen.
Informationsdichte: Mehr ist nicht immer besser
PowerPoint verführt zu Textwüsten. Bullet Points stapeln sich, Schriftgrößen schrumpfen, bis ganze Absätze auf eine Folie gequetscht werden. Das Ergebnis kennt jeder: Folien, die man nicht lesen kann, ohne sich nach vorn zu lehnen.
Infografiken machen das Gegenteil. Sie verdichten Information visuell. Zahlen werden zu Diagrammen, Zusammenhänge zu Pfeilen, Kategorien zu Farbcodes. Eine gute Infografik transportiert mehr Information auf weniger Raum – und bleibt dabei verständlich.
Erklärfilme können noch weniger Text vertragen. Was nicht in 30 Sekunden erklärbar ist, gehört nicht in ein 2-Minuten-Video. Diese Beschränkung ist aber oft ein Segen – sie zwingt zur Konzentration auf das Wesentliche.
Mir ist neulich aufgefallen, wie oft ich in Meetings denke: „Das hätte auch eine E-Mail sein können." Bei vielen PowerPoint-Präsentationen denke ich inzwischen: „Das hätte auch ein Erklärvideo sein können – und hätte dabei noch funktioniert."
Emotionale Wirkung: Fakten vs. Geschichten
Klassische Präsentationen sind rational konzipiert. Fakten, Argumente, Beweise. Das ist nicht verkehrt – aber es ist nur die halbe Wahrheit. Menschen treffen Entscheidungen emotional und rechtfertigen sie rational.
Storytelling in Erklärvideos nutzt diese Erkenntnis. Statt „Unser Produkt hat Feature X, Y und Z" zu sagen, erzählen sie: „Stell dir vor, du könntest..." oder „Sarah hatte folgendes Problem..."
Das funktioniert, weil Geschichten aktivieren. Beim Zuhören simuliert das Gehirn die beschriebenen Situationen. Du hörst von Sarahs Problem und denkst automatisch an deine eigenen ähnlichen Erfahrungen.
Infografiken können auch emotional wirken – durch Farbwahl, Bildsprache, bewusste Symbolik. Eine Infografik über Arbeitslosigkeit kann kalt und statistisch sein oder berührend und menschlich – je nachdem, wie sie gestaltet ist.
Asynchrone Nutzung: Wann es gebraucht wird
Hier zeigen alternative Formate ihre Stärke. Eine PowerPoint-Präsentation ohne Presenter ist wie ein Buch ohne Text – technisch möglich, praktisch nutzlos.
Erklärvideos funktionieren unabhängig. Einmal produziert, können sie beliebig oft abgespielt werden. Im E-Learning, für Produktschulungen, als Onboarding-Material. Sie sind skalierbar – ein Video kann tausend Menschen gleichzeitig schulen.
Infografiken sind sogar noch flexibler. Sie funktionieren in E-Mails, auf Websites, ausgedruckt an der Pinnwand. Sie brauchen keine Technik, keine Internetverbindung, keinen Ton.
Das macht sie besonders wertvoll für interne Kommunikation. Ein Erklärvideo zu neuen Compliance-Regeln kann jeder Mitarbeiter ansehen, wann es passt. Eine Infografik zu Urlaubsregelungen kann jeder abrufen, wenn er sie braucht.
Professionalität: Was erwarten Zielgruppen heute?
Interessante Frage. Noch vor zehn Jahren galten PowerPoint-Präsentationen als professioneller Standard. Heute wirken sie oft... altbacken.
Jüngere Zielgruppen sind mit YouTube, TikTok, Instagram groß geworden. Sie erwarten visuelle Kommunikation, die bewegt, überrascht, unterhält. Eine statische Folienpräsentation kann da schnell unprofessionell wirken – nicht wegen der Inhalte, sondern wegen der Form.
Aber Vorsicht vor Pauschalisierungen. In konservativen B2B-Bereichen können Erklärvideos noch immer als „zu verspielt" wahrgenommen werden. Hier kommt es auf die richtige Balance an – professionell genug für die Zielgruppe, modern genug für Aufmerksamkeit.
Produktionsaufwand: Zeit, Geld, Nerven
Seien wir ehrlich: Eine PowerPoint-Präsentation ist schnell erstellt. Template laden, Text eintippen, Bilder einfügen, fertig. Das ist ein klarer Vorteil, besonders bei zeitkritischen Situationen.
Erklärvideos erstellen dauert länger. Konzept, Skript, Storyboard, Animation, Vertonung – da kommen schnell mehrere Wochen zusammen. Allerdings: Die Nutzungsdauer ist oft viel länger. Ein Erklärvideo kann jahrelang verwendet werden, eine Präsentation meist nur einmal.
Infografiken liegen irgendwo dazwischen. Mehr Aufwand als eine schnelle Präsentation, weniger als ein aufwändiges Video. Dafür vielseitiger einsetzbar und länger haltbar.
Übrigens: Low-Budget-Erklärvideos sind heute durchaus möglich. Mit den richtigen Tools und etwas Übung kann auch ein kleineres Team professionelle Ergebnisse erzielen.
Interaktivität: Passive vs. aktive Rezeption
PowerPoint ist größtenteils passiv. Der Zuschauer sitzt da und lässt sich berieseln. Klar, es gibt Diskussionen, Nachfragen, aber die Folien selbst sind statisch.
Interaktive Erklärvideos ändern das. Klickbare Hotspots, Quizfragen zwischendrin, verschiedene Pfade je nach Antwort. Der Zuschauer wird vom passiven Konsumenten zum aktiven Teilnehmer.
Infografiken können ebenfalls interaktiv sein – besonders digital. Hover-Effekte, klickbare Bereiche, aufklappbare Details. Eine interaktive Infografik zu Quartalszahlen kann verschiedene Detailgrade anbieten: Überblick für das Management, Details für die Fachabteilung.
Diese Interaktivität erhöht das Engagement messbar. Menschen erinnern sich besser an Inhalte, mit denen sie aktiv interagiert haben. Interaktive Videos und Infografiken erhöhen nachweislich das Engagement und die Wissensvermittlung in der betrieblichen Weiterbildung.
Messbarkeit: Was funktioniert wirklich?
Hier haben digitale Formate einen klaren Vorteil. Bei einer PowerPoint-Präsentation weißt du nicht: Wer war wirklich aufmerksam? Wer hat verstanden? Wer erinnert sich morgen noch?
Erklärvideos liefern Daten. Wie viele haben bis zum Ende geschaut? Wo sind die meisten abgesprungen? Welche Teile wurden mehrfach angesehen? Diese Insights helfen bei der Optimierung.
Infografiken können ebenfalls getrackt werden – zumindest digital. Verweildauer, Klickverhalten, geteilte Bereiche. Das ermöglicht datenbasierte Verbesserungen statt Bauchgefühl-Entscheidungen.
Zielgruppenspezifische Anpassung
PowerPoint ist ziemlich starr. Dieselben Folien für alle – egal ob Vorstand oder Praktikant, ob Technik-Experte oder Marketing-Neuling.
Modulare Erklärvideos können das besser. Verschiedene Versionen für verschiedene Zielgruppen. Dieselben Inhalte, andere Beispiele, angepasste Komplexität. Oder sogar personalisierte Videos mit individueller Ansprache.
Infografiken lassen sich ebenfalls anpassen – durch verschiedene Detailgrade, farbliche Hervorhebungen, branchenspezifische Beispiele.
Die Kombination macht's
Hier wird's interessant: Es muss nicht entweder-oder sein. Die besten Ergebnisse entstehen oft durch sinnvolle Kombination.
Ein Erklärvideo als Einstieg, um Aufmerksamkeit zu schaffen und die Grundidee zu vermitteln. Eine Infografik für den detaillierten Überblick. Eine PowerPoint-Präsentation für die interaktive Diskussion mit konkreten Rückfragen.
Video-Content-Marketing funktioniert am besten als durchdachter Mix verschiedener Formate, nicht als Entweder-Oder-Entscheidung.
Je nach Situation, Zielgruppe und Zielsetzung ist mal das eine, mal das andere Format optimal. Ein spontanes Teammeeting braucht andere Tools als eine Investorenpräsentation oder ein Onboarding-Prozess.
Was bleibt hängen?
Nach allem, was wir wissen über Aufmerksamkeit, Erinnerung und Informationsverarbeitung, haben bewegte und interaktive Formate klare Vorteile gegenüber statischen Präsentationen. Aber sie sind nicht automatisch besser – nur anders.
Die Frage ist nicht: „Sollten wir PowerPoint abschaffen?" Die Frage ist: „Welches Format passt zu unserem Ziel, unserer Zielgruppe, unserer Situation?"
Vielleicht geht es am Ende gar nicht darum, welche Technik wir nutzen. Sondern darum, ob wir noch bereit sind zu hinterfragen, wie wir kommunizieren – während die Welt um uns herum längst andere Erwartungen entwickelt hat.