Das größte Missverständnis über Erklärfilm-Produktionen
Die meisten Auftraggeber denken, ein Erklärfilm entsteht wie eine PowerPoint-Präsentation – schnell, linear, ohne Überraschungen. Dann kommt der erste Kick-off-Call, und die Realität trifft sie: Eine professionelle Produktion ist ein Orchesterwerkstatt, in der jede Phase die nächste bedingt, in der ein verpasster Abgabetermin der Musik einen Takt voraus ist, und in der die beste Idee nichts nützt, wenn die Zeit sie nicht erlaubt, Gestalt anzunehmen.
Die Wahrheit ist unbarmherzig: Zeitplanung ist nicht Management der Produktion – sie ist die Produktion selbst. Wer sie ignoriert, produziert Chaos. Wer sie meistert, produziert Filme.
Die fünf Produktionsphasen – und was wirklich darin passiert
Ein Erklärfilm durchläuft grundsätzlich fünf Phasen, aber jede Phase ist selbst wieder ein Projekt im Projekt. Das Verständnis dieser Struktur ist der Schlüssel zu realistischen Plänen.
Briefing & Strategie (1–2 Wochen)
Am Anfang steht das Gespräch. Was will der Auftraggeber aussagen? Wen will er erreichen? Welche Probleme muss das Video lösen? Diese Phase ist nicht optional, auch wenn ungeduldig wirkende Kunden sie überspringen wollen. Ein Fehler hier verstärkt sich exponentiell in den nächsten vier Phasen.
Die Inputs sammeln sich: Backgroundmaterialien, Wettbewerbsanalysen, Zielgruppendefinitionen, Produktmerkmale, Budget und Vertriebskanäle. Eine solide Strategie-Phase dauert 1–2 Wochen, je nach Komplexität des Produkts.
Konzeption & Drehbuch (2–3 Wochen)
Hier entsteht das Fundament. Das Team schreibt das Drehbuch schreiben: Kunst, Tipps, Tricks für Anfänger, entwickelt die Erzählstruktur, definiert Szenen, Characters und Bilderwelt.
Eine erste Fassung des Drehbuchs entsteht oft schon nach einer Woche. Dann folgen Überarbeitungen: Der Kunde sieht Entwürfe, gibt Feedback, der Texter optimiert. Diese Schleife kann schnell mehrere Wochen in Anspruch nehmen, wenn Stakeholder unterschiedliche Vorstellungen haben.
Parallel entstehen erste Storyboard-Skizzen, um die Visualisierung zu klären. Das spart Zeit in der Produktion, weil später weniger improvisiert werden muss.
Vorproduktion: Storyboard & Animation-Setup (2–4 Wochen)
Dies ist die Vorbereitungs-Meisterschaft. Das ideale Ablauf eines Erklärvideos – so gelingt dein Erklärvideo zeigt, wie ein gutes Storyboard den ganzen Produktionsprozess prägt.
Ein visueller Gestalter zeichnet jede Szene im Detail – oft 60–120 Bilder für einen dreiminütigen Film. Jedes Bild wird zeitcodiert, mit Kommentaren versehen, mit Animationshinweisen dokumentiert. Ein Profi braucht dafür 2–3 Wochen. Ein gutes Storyboard ist gleichzeitig eine visuelle Blaupause und ein Kommunikationstool mit dem Kunden.
Daneben: Character-Design, Farbpaletten, Schriftarten werden definiert. Musik-References werden gesammelt. Der Motion-Designer bereitet seine Software vor. Ein stimmiger Designprozess ist wie das Tunen eines Instruments – ohne ihn klingt das Orchester falsch.
Produktion: Animation & Sound (4–8 Wochen)
Jetzt passiert die eigentliche Verwandlung. Motion-Designer animieren Szene für Szene. Ein erfahrener Animator schafft in einer Woche etwa 20–30 Sekunden hochwertigen Content. Bei einem dreiminütigen Film mit 180 Sekunden bedeutet das: 6–9 Wochen pure Animationsarbeit, plus Pausen für Feedback-Runden.
Parallel läuft die Audio-Produktion: Voice-Over-Aufnahmen im Studio, Musik-Komposition oder -Lizenzierung, Sound-Design (Effekte, Übergänge). Ein Sprecher braucht für einen dreiminütigen Film etwa einen halben Tag im Studio – inklusive Vorbereitungszeit gut zwei Wochen Durchlaufzeit.
Diese Phase ist der längste Einzelprozess. Hier passiert die größte Zeitverzögerung, wenn der Kunde ständig Änderungen fordert oder der Team-Member krank wird.
Postproduktion: Schnitt, Farbgrading, Export (1–2 Wochen)
Hier kommen alle Teile zusammen: Animation + Voice-Over + Musik + Sound-Effekte + Titelbild + Endcard. Der Editor synchronisiert alles, schneidet nach Musik-Tempo, balanciert Audiopegel.
Danach folgt das Farbgrading – die Feinabstimmung von Sättigung, Kontrast und Helligkeit, um visuellen Zusammenhalt zu schaffen. Dann der Export in verschiedene Formate (4K, HD, für Web, für Social Media, für Werbung).
Eine klassische Postproduktions-Phase dauert 1–2 Wochen, wenn alle Dateien rechtzeitig eintreffen.
Der realistische Produktionskalender: Ein Beispiel
Nehmen wir einen dreiminütigen Erklärfilm für ein mittelständisches SaaS-Produkt, mittlere Komplexität, kleines bis mittleres Animations-Volumen.
PhaseZeitrahmenRealistische PufferzoneBriefing & Strategie1–2 Wochen+3–5 Tage (bei Verzögerung in Stakeholder-Abstimmung)Konzeption & Drehbuch2–3 Wochen+5–7 Tage (mehrere Überarbeitungsschleifen)Storyboard & Animation-Setup2–3 Wochen+3–5 Tage (Designfestlegung dauert länger als geplant)Animation6–8 Wochen+1–2 Wochen (ist die kritischste Phase – hier passieren die meisten Verzögerungen)Audio & Musik2–3 Wochen+3–5 Tage (Studios und Sprecher sind nicht immer sofort buchbar)Postproduktion & Export1–2 Wochen+2–3 Tage (Feinschliff zieht oft länger)Gesamtdauer14–21 WochenReserve: 2–3 Wochen
Fazit für die Praxis: Ein dreiminütiger Erklärfilm braucht realistisch 4–6 Monate von der Idee bis zur Premiere. Wer mit weniger rechnet, plant nicht – er wünscht sich.
Meilensteine statt Deadlines: Die Psychologie der Planung
Der Unterschied zwischen einem scheiternden und einem erfolgreichen Projekt ist oft nicht die Arbeit – sondern wie Termine kommuniziert werden.
Ein Meilenstein ist ein messbarer, greifbarer Punkt: „Das Storyboard ist freigegeben." Ein Deadline ist abstrakt: „Der Film muss bis 30. Dezember fertig sein."
Termine und Meilensteine als Grundkonzepte für realistische Zeitplanung zeigen, dass echte Kontrolle entsteht, wenn jede Phase konkrete Outputs hat. Ein Kunde weiß dann: Nach zwei Wochen sehe ich das erste Drehbuch-Draft. Nach vier Wochen das Storyboard. Nach acht Wochen die erste Animation-Szene.
Diese Sichtbarkeit verhindert Verwirrung. Sie erzeugt auch psychologisch eine andere Dauer-Erfahrung – nicht „noch 12 Wochen bis zum Finale", sondern „diese Woche passiert X, nächste Woche Y".
Die versteckten Zeitfresser – und wie man sie plant
Die meisten Projekte scheitern nicht an den bekannten Phasen, sondern an den unbewussten Zwischenräumen.
Feedback-Schleifen: Ein Kunde sieht das Storyboard, möchte Änderungen, der Designer überarbeitet, der Kunde möchte wieder Änderungen. Eine Feedback-Schleife dauert schnell eine Woche – und es können drei davon sein. Plan: 1 Woche für jede erwartete Runde einkalkulieren.
Dateien-Chaos: Versionen heißen „Video_Final_FINAL_v3_2". Überarbeitete Musik-Tracks werden nicht gelöscht. Der Animator arbeitet mit der falschen Farbpalette. Das kostet 2–3 Tage Korrekturzeit. Plan: Ein striktes Datei-Management-System von Anfang an etablieren.
Technische Ausfallzeiten: Der Rechner des Motion-Designers fällt aus. Eine Software-Lizenz läuft ab. Die Internet-Verbindung bricht zusammen. Das klingt trivial, kostet aber schnell eine halbe Woche. Plan: 2–3 Tage Reserve für technische Probleme, die bei langen Projekten fast sicher eintreffen.
Personelle Engpässe: Der beste Animator ist in einem anderen Projekt verhaftet. Ein Sprecher wird krank. Ein Grafiker kündigt. Plan: Keine 100%-Auslastung für Schlüsselpersonen – immer etwas Puffer.
Der Anfänger-Fehler: Paralleles Arbeiten ohne Struktur
Manche Think, Sie können mehrere Phasen parallel laufen lassen – um Zeit zu sparen. Das funktioniert nur mit strikter Struktur. Ein Animator braucht ein finales Drehbuch. Das Drehbuch braucht Freigabe vom Kunden. Die Audio-Produktion kann erst nach Animation-Rough Cut beginnen.
Die echte Parallelisierung ist subtil: Während der Designer das Storyboard finalisiert, kann der Sound-Designer bereits erste Musik-References recherchieren. Der Editor kann schon die Musik-Längen vermessen. Das spart zwei bis drei Tage, nicht zwei bis drei Wochen.
Eine detaillierte Checkliste für Vorproduktion und strukturierte Abläufe zeigt, wo echte Parallelarbeit funktioniert – und wo sie Chaos anrichtet.
Projektmanagement: Die Bühne für Pünktlichkeit
Ohne ein klares Projekt-Management-System läuft die beste Planung ins Leere. Das muss nicht kompliziert sein – es reicht ein klares System:
- Wer ist verantwortlich für welche Phase?
- Wer gibt ab? Wer gibt frei?
- Wann treffen wir uns für Status-Meetings?
- Wie eskalieren wir Verzögerungen?
Projektmanagement und Drehplan-Optimierung mit wissenschaftlich fundierten Ansätzen zeigen, dass die beste Planung eine lebende Kultur braucht, nicht nur ein Dokument.
Ein wöchentlicher Status-Call reicht oft. Jeder bringt mit: Was ist fertig? Was blockiert? Was kommt diese Woche? Fünf Minuten pro Person, 20 Minuten insgesamt. Das spart später Wochen an Chaos.
Das Paradox der Zeitersparnis
Hier die unbequeme Wahrheit: Je mehr man versucht, Zeit zu sparen, desto länger dauert es.
Ein Kunde, der sagt „Wir brauchen das in drei Wochen", erzeugt nicht einen schnelleren Film – er erzeugt Fehler, Überarbeitungen, Nachbesserungen, die am Ende zwei Monate zusätzlich dauern. Ein sorgfältiger Prozess mit realistischen Fristen ist schneller als gehetzter Improvisation.
Oder wie es ein Unternehmer ausdrückte: „Fast, cheap, good – wähle zwei davon." Im Erklärfilm-Geschäft gilt: Wer alle drei will, kriegt keins.
Die beste Zeitplanung ist also nicht die Planung, die Zeit spart – sondern die, die das Projekt zu Ende bringt, ohne es zu zerstören.
Schlussbild: Wann es wirklich fertig ist
Ein Erklärfilm ist fertig, wenn alle Beteiligten das gleiche Gefühl haben: Es fehlt nichts mehr, was wir wollten zu sagen. Es ist nicht perfekt – aber es ist ganz.
Diesen Punkt zu erreichen braucht nicht nur einen Plan. Es braucht einen guten Plan, dessen Einhaltung wichtiger ist als die kurzfristige Ungeduld.




































































































