Du scrollst durch deine Timeline und bleibst bei einem Video hängen – 90 Sekunden später verstehst du endlich, wie Blockchain funktioniert. Fünf Minuten später siehst du einen 30-Sekunden-Clip von Nike und hast plötzlich Lust auf neue Laufschuhe. Zwei Videos, völlig unterschiedliche Reaktionen. Das ist kein Zufall.
Während der eine Clip dein Gehirn anspricht, zielt der andere direkt auf dein Herz – und dein Portemonnaie. Willkommen in der faszinierenden Welt von Erklärfilmen und Werbefilmen, zwei Videoformaten, die unterschiedlicher nicht sein könnten.
Was will ein Erklärfilm – und was ein Werbefilm?
Die Zielsetzung trennt beide Formate wie Tag und Nacht. Ein Erklärfilm hat einen klaren Auftrag: komplexe Sachverhalte verständlich machen. Punkt. Ob es um die Funktionsweise einer Software geht, ein neues Versicherungsprodukt oder den Ablauf einer medizinischen Behandlung – der Erklärfilm will, dass du am Ende wirklich verstehst, worum es geht.
Ein Werbefilm hingegen? Der will verkaufen. Emotional berühren. Zum Handeln bewegen. Er zeigt nicht primär, wie etwas funktioniert, sondern warum du es brauchst – oder besser noch: warum du es unbedingt haben willst.
Diese unterschiedlichen Ziele prägen alles: von der ersten Sekunde bis zum Abspann.
Wie sich Tonalität und Storytelling unterscheiden
Stell dir vor, du erklärst einem Freund, wie Online-Banking funktioniert. Du würdest sachlich, Schritt für Schritt vorgehen, oder? Genau so klingt ein guter Erklärfilm. Die Tonalität ist vertrauensvoll, ruhig, manchmal sogar ein bisschen lehrerhaft – aber im positiven Sinne.
Ein Werbefilm dagegen... der flüstert dir ins Ohr oder ruft dir entgegen. Je nach Marke mal verspielt, mal elegant, mal provokant. Hauptsache, er weckt Emotionen.
Beim Storytelling wird's noch deutlicher. Erklärvideo-Storytelling folgt oft einem Problem-Lösung-Schema: "Du hast Problem X? Hier ist Lösung Y. So funktioniert sie." Linear, logisch, nachvollziehbar.
Werbefilme? Die können mit allem anfangen. Mit einem Traum, einer Provokation, einer Metapher. Sie müssen nicht erklären – sie müssen faszinieren. Manchmal zeigen sie das Produkt erst in den letzten Sekunden. Oder gar nicht.
Informationsgehalt vs. Emotionalisierung
Hier liegt der wohl größte Unterschied. Ein Erklärfilm ist wie ein guter Lehrer: Er vermittelt Wissen, das bleibt. Nach einem gut gemachten Erklärvideo kannst du jemandem anderen erklären, was du gelernt hast.
Ein Werbefilm ist eher wie ein Gefühl, das vorbeizieht. Oft erinnerst du dich an die Stimmung, die Musik, vielleicht an ein starkes Bild – aber nicht unbedingt an konkrete Fakten. Das ist auch völlig okay so, denn Werbefilme sprechen eine andere Sprache: die der Emotionen.
Mir ist neulich aufgefallen, wie unterschiedlich meine Kinder auf beide Formate reagieren. Bei Erklärvideos fragen sie nach: "Warum ist das so?" Bei Werbung sagen sie: "Das will ich auch haben!" Beides wichtig, aber komplett verschiedene Reaktionen.
Dramaturgie und typische Längen
Die Länge verrät oft schon alles. Erklärfilme nehmen sich die Zeit, die sie brauchen – meist zwischen 60 und 180 Sekunden. Die maximale Erklärvideo-Länge von 120 Sekunden gilt als kritische Schwelle für die Aufmerksamkeitsspanne. Manchmal auch länger, wenn das Thema komplex ist. Sie haben keine Angst vor Details, solange sie relevant sind.
Werbefilme? Die müssen knackig sein. 15, 30, maximal 60 Sekunden. Jede Sekunde kostet schließlich Geld, besonders im TV oder bei bezahlten Social Media Ads.
Die Dramaturgie spiegelt das wider. Erklärfilme bauen ruhig auf: Problem erkennen, Lösung präsentieren, Funktionsweise zeigen, Nutzen verdeutlichen. Wie beim Erklimmen einer Treppe – Stufe für Stufe.
Werbefilme sind eher wie Feuerwerk. Sie müssen sofort zünden, schnell den Höhepunkt erreichen und mit einem Knalleffekt enden, der im Gedächtnis bleibt.
Verschiedene Zielgruppen, verschiedene Sprachen
Erklärvideo-Zielgruppen sind oft wissbegierig. Sie haben ein konkretes Problem oder eine spezifische Frage. Sie sind bereit, drei Minuten zu investieren, um etwas zu verstehen. Oft sind es Menschen in einer Entscheidungssituation: Soll ich diese Software kaufen? Wie funktioniert diese Dienstleistung?
Werbefilm-Zuschauer hingegen sind oft... na ja, eigentlich wollen sie gar keine Werbung sehen. Sie scrollen durch Instagram, schauen YouTube oder entspannen vor dem Fernseher. Der Werbefilm muss sie praktisch überfallen – aber charmant.
Das erklärt auch die unterschiedlichen Call-to-Actions. Ein Erklärfilm endet oft mit: "Möchten Sie mehr erfahren?" oder "Testen Sie es selbst." Sachlich, einladend.
Ein Werbefilm ruft: "Jetzt kaufen!", "Nur heute!" oder "Verpassen Sie nicht..." Dringlicher, emotionaler.
Wo sie zum Einsatz kommen
Die Einsatzorte unterscheiden sich wie Tag und Nacht. Erklärvideos für Unternehmen findest du auf Websites, in E-Learning-Plattformen, bei Schulungen oder im Onboarding neuer Mitarbeiter. Im Onboarding neuer Mitarbeiter reduzieren Erklärvideos Einarbeitungszeiten um bis zu 40%, wie Unternehmensstudien zeigen. Orte, wo Menschen gezielt nach Informationen suchen.
Werbefilme erobern die Aufmerksamkeit dort, wo sie eigentlich nicht erwartet werden: zwischen YouTube-Videos, in Social Media Feeds, im Fernsehen oder auf digitalen Werbetafeln.
Diese unterschiedlichen Plattformen prägen auch das Format. Ein Erklärvideo für die Website kann sich Zeit lassen. Ein Instagram-Werbespot muss in den ersten drei Sekunden alles geben.
Produktionsaufwand und Kreativansatz
Hier wird's interessant. Viele denken, Werbefilme seien automatisch aufwendiger. Stimmt nicht immer. Ein gut gemachtes Erklärvideo zu einem komplexen Thema kann durchaus mehr Recherchezeit brauchen als ein 30-Sekunden-Werbespot.
Der Unterschied liegt im Kreativansatz. Bei Erklärvideos steht die didaktische Aufbereitung im Vordergrund: Wie erkläre ich das am verständlichsten? Welche Metaphern helfen? Wo brauche ich Visualisierungen?
Bei Werbefilmen dreht sich alles um die emotionale Wirkung: Welche Geschichte berührt? Welche Musik verstärkt das Gefühl? Wie schaffe ich Begehrlichkeit?
Produktionskosten variieren entsprechend. Ein einfaches Erklärvideo kann kostengünstiger sein als ein aufwendiger Werbespot mit Schauspielern und Location-Drehs. Aber auch umgekehrt ist möglich.
Erfolg messen – aber wie?
Die Erfolgs-Metriken verraten alles über die unterschiedlichen Ziele. Bei Erklärvideos zählt: Wurde das Wissen vermittelt? Haben weniger Menschen den Support kontaktiert? Sind die FAQ-Anfragen zurückgegangen? Konnten Schulungszeiten verkürzt werden?
Werbefilme messen anders: Wie viele haben gekauft? Die STAS-Studie beweist, dass TV-Spots eine 22% höhere Kaufwirkung erzielen als Social-Media-Videos. Ist die Markenbekanntheit gestiegen? Wurden die Videos geteilt? Wie hoch war die Click-Through-Rate?
Beide Ansätze haben ihre Berechtigung. Es kommt darauf an, was du erreichen willst.
Wann setzt du was ein?
Die Entscheidung ist eigentlich simpel – wenn du weißt, was du willst.
Du brauchst ein Erklärvideo, wenn:
- Menschen dein Produkt oder deine Dienstleistung nicht verstehen
- Du komplexe Prozesse vereinfachen willst
- Neue Mitarbeiter schneller eingearbeitet werden sollen
- Häufige Kundenfragen reduziert werden müssen
- Vertrauen durch Transparenz aufgebaut werden soll
Du brauchst einen Werbefilm, wenn:
- Eine Kaufentscheidung ausgelöst werden soll
- Emotionale Markenbindung im Vordergrund steht
- Du gegen starke Konkurrenz aufmerksam machen willst
- Ein Launch oder Event beworben werden soll
- Die Markenbekanntheit gesteigert werden muss
Manchmal brauchst du auch beides. Große Unternehmen setzen oft verschiedene Videoformate parallel ein: Werbefilme für Aufmerksamkeit, Erklärvideos für Vertrauen.
Hybride Ansätze – das Beste aus beiden Welten
Übrigens – die Grenzen verschwimmen zunehmend. Moderne hybride Erklärvideo-Formate verbinden Information mit Emotion. Sie erklären, aber mit mehr Schwung. Sie verkaufen, aber mit mehr Substanz.
Besonders bei erklärungsbedürftigen Produkten funktioniert das gut. Denk an Tesla: Die Videos erklären durchaus technische Features, aber mit einer emotionalen Aufladung, die reine Sachlichkeit sprengt.
Am Ende geht es nicht um richtig oder falsch, sondern um passend oder unpassend. Beide Formate haben ihre Berechtigung – du musst nur wissen, welches zu deinem Ziel passt.
Vielleicht ist das der wahre Unterschied: Erklärfilme respektieren die Intelligenz ihres Publikums, Werbefilme dessen Emotionen. Beides wichtig. Beides wertvoll. Die Frage ist nur: Was brauchst du gerade mehr?