Der Vertriebsleiter starrt auf seinen Bildschirm. Vor ihm die Umsatzzahlen des letzten Quartals – solide, aber nicht beeindruckend. In seiner Inbox: 14 ungelesene Absagen von Leads, die nach dem zweiten Gespräch abgesprungen sind. Komplexe Produkte, schwer greifbare Vorteile, zu lange Sales-Zyklen. Kennst du das Problem?
Fakt ist: B2B-Entscheider scannen heute zuerst digital, bevor sie überhaupt mit einem Menschen sprechen wollen. Sie sind überflutet von Text-Informationen und PowerPoint-Präsentationen. Was ihnen fehlt, ist das "Aha"-Erlebnis – jener Moment, in dem ein komplexes Produkt plötzlich kristallklar wird.
Produktvideos haben sich als Gamechanger im B2B-Vertrieb erwiesen. Sie vermitteln in Sekunden, wofür ein Vertriebsmitarbeiter sonst 30 Minuten braucht. Aber nicht jedes Video funktioniert im Verkaufsprozess. Zeit für einen differenzierten Blick auf Strategien, die wirklich Deals beschleunigen.
1. Modularität als Schlüsselprinzip
Die Zeit der 10-minütigen Produktvideos, die alles erklären sollen, ist vorbei. Effektiver sind modulare Ansätze, die gezielt einzelne Aspekte beleuchten.
Ein Vertriebsmitarbeiter bei Siemens erzählte mir kürzlich: "Früher hatten wir dieses eine große Produktvideo. Keiner hat es bis zum Ende geschaut. Heute haben wir 12 Micro-Videos zu einzelnen Features – und die Gespräche werden konkreter."
Statt einem 8-Minuten-Mammut-Video produzierst du besser:
- Ein 60-Sekunden-Überblicksvideo
- Mehrere 90-Sekunden-Feature-Clips
- 2-Minuten-Lösungsvideos für spezifische Schmerzpunkte
- 60-Sekunden-Testimonials von Bestandskunden
Diese modularen Einheiten können dann individuell je nach Gesprächssituation und Interesse des Prospects eingesetzt werden. Viel flexibler, viel zielführender.
Apropos Zielführend: Die Videothek sollte nicht chaotisch wachsen. Besser ist ein durchdachtes System, das den gesamten Sales-Funnel abdeckt – von der Awareness-Phase bis zur Entscheidungsfindung. Wie Produktvideos im B2B-Marketing entlang des gesamten Sales-Funnels gezielt eingesetzt werden, zeigen Best Practices: Vom kurzen Überblicksvideo in der Awareness-Phase bis zu Feature-Clips und Testimonial-Videos in der Entscheidungsfindung.
2. Die Macht des richtigen Formats
"Aber welches Videoformat ist denn nun das richtige?" ist eine Frage, die mir bei Kundenprojekten ständig begegnet. Die ehrliche Antwort: Es kommt darauf an.
Je nach Verkaufsphase und Komplexität deines Produkts eignen sich unterschiedliche Videoformate:
Für technische Produkte mit vielen unsichtbaren Prozessen sind animierte Erklärvideos ideal. Sie machen das Unsichtbare sichtbar – etwa Datenflüsse, Schnittstellen oder komplexe Workflows.
Bei Produkten, die Vertrauen erfordern, wirken Experten-Interviews besonders überzeugend. Dein Entwicklungsleiter oder Produktmanager spricht direkt in die Kamera und erklärt spezifische Vorteile oder technische Besonderheiten.
Für bodenständige B2B-Produkte eignen sich Screencast-Videos, die die Software oder Plattform direkt in Aktion zeigen. Ein gutes Beispiel: Kurze Demo-Videos einzelner Funktionen, die im Vertriebsgespräch je nach Bedarf eingesetzt werden können.
Legevideos mit ihrer authentischen Ästhetik funktionieren hervorragend, wenn ihr einem Produkt einen menschlichen Touch geben wollt.
Ein Ansatz, der oft unterschätzt wird: Customer Success Stories als Mini-Dokumentationen. Diese zeigen nicht nur das Produkt, sondern auch dessen reale Wirkung im Alltag eines ähnlichen Unternehmens. Authentische Kunden-Testimonial-Videos erhöhen die Glaubwürdigkeit und zeigen reale Ergebnisse, wodurch sie als Social Proof im Entscheidungsprozess besonders wirksam sind. Nichts überzeugt mehr als ein Peer, der über positive Erfahrungen berichtet.
3. Integration in den Vertriebsprozess
Großartige Videos zu haben ist das eine. Sie sinnvoll in den Vertriebsprozess zu integrieren, das andere.
Bei explainr haben wir beobachtet, dass Unternehmen mit den besten Ergebnissen ihre Videos nahtlos in bestehende Vertriebssysteme eingebunden haben.
Da ist zum Beispiel der Ansatz eines Münchner Enterprise-Software-Anbieters: Jedes Produkt-Feature hat sein eigenes Kurzvideo. Diese sind alle in Salesforce hinterlegt und können per Klick in personalisierte E-Mails eingebunden werden. Der Vertriebsmitarbeiter wählt nur die passenden Module aus, die direkt den Schmerzpunkt des Kunden adressieren.
Oder ein Maschinenbau-Unternehmen aus Hamburg: Ihre Außendienstmitarbeiter tragen iPads mit einer Videoapp, die auch offline funktioniert. Bei Kundenbesuchen können sie sofort relevante Produktvideos zeigen – vom Überblicksvideo bis zur detaillierten Erklärung komplexer Funktionen.
Die Vertriebsintegration muss allerdings geplant werden. Einige Schlüsselfragen:
- Wie gelangen die Videos zu den richtigen Vertriebsmitarbeitern?
- Welche Tools werden für die Einbindung in E-Mails oder Präsentationen benötigt?
- Wie werden die Videos im CRM-System kategorisiert und bereitgestellt?
- Gibt es Tracking-Möglichkeiten, um zu sehen, ob und wie lange ein Kunde das Video angeschaut hat?
Diese Fragen sollten vor der Videoproduktion geklärt werden, nicht danach.
4. Kundenzentrierung statt Produktfixierung
Ein fataler Fehler bei Produktvideos: Sie kreisen zu oft um Features, nicht um Kundenbedürfnisse. Man sieht es sofort an den Titeln: "Unser neues XY-System mit revolutionärer Z-Technologie" statt "So sparen Sie 30% Ihrer Prozesskosten".
Effektive B2B-Produktvideos stellen immer den Nutzen für den Kunden in den Mittelpunkt. Sie beginnen mit dem Schmerzpunkt und zeigen dann erst, wie das Produkt diesen löst.
Ich sehe das immer wieder bei unseren Projekten: Videos, die mit dem Kundennutzen starten, erzielen bis zu 40% höhere Abschlussraten als klassische produktfixierte Videos.
Da ist was dran an dieser Geschichte: Ein Düsseldorfer Technologieunternehmen hatte ein technisch brillantes, aber schwer verständliches Produkt. Ihr altes Video begann mit zwei Minuten Produkterklärung. Das neue Video startete mit dem Satz: "Drei Probleme kosten mittelständische Fertigungsunternehmen jährlich Millionen: [...]" und zeigte dann erst die Lösung. Die Resonanz im Vertrieb? "Endlich verstehen unsere Kunden sofort, warum sie mit uns sprechen sollten."
5. Visueller Stil als Vertrauensanker
Der visuelle Stil deiner Produktvideos ist mehr als nur Ästhetik – er ist ein Vertrauenssignal. B2B-Entscheider scannen bewusst oder unbewusst: Sieht das professionell aus? Passt der Stil zum Preisniveau des Produkts? Vermittelt die Optik Seriosität und Kompetenz?
Besonders wichtig: Ein konsistenter Look über alle Videos hinweg. Wenn deine Modul-Videos wie von verschiedenen Agenturen produziert aussehen, reduziert das die Markenwirkung erheblich.
Einige Prinzipien für einen überzeugenden B2B-Video-Stil:
- Klarheit vor Kreativität (aber bitte nicht langweilig)
- Ausgewogene Farbpalette, die zur CI passt
- Hochwertige, aber nicht überladene Animationen
- Professioneller Sound und Sprecherqualität
- Gleichbleibende Intro- und Outro-Elemente
Bedenke: Der visuelle Stil sollte zur Branche und zum Produkt passen. Ein Erklärvideo für eine Banken-Compliance-Software sieht anders aus als eines für ein kreatives Marketing-Tool.
6. Personalisierung als Conversion-Booster
Stell dir vor: Ein potenzieller Kunde erhält ein Video, in dem sein Unternehmen, seine Branche und sogar sein Name vorkommen. Klingt nach Zukunftsmusik? Ist es nicht mehr.
Personalisierte Produktvideos gehören zu den spannendsten Entwicklungen im B2B-Vertrieb. Der Einsatz von personalisierter Video-Kommunikation steigert nachweislich die Engagement- und Conversion-Raten im B2B-Vertrieb, da individuelle Ansprache Vertrauen und Relevanz erzeugt. Mit den richtigen Tools können Basisvideos durch dynamische Elemente ergänzt werden – vom eingeblendeten Firmenlogo bis hin zu branchen- oder unternehmensspezifischen Daten.
Bei einem Kunden aus dem B2B-Software-Bereich haben wir ein modulares Video mit personalisierbaren Elementen entwickelt. Die Vertriebsmitarbeiter können vor dem Versand Firmennamen, Branche und spezifische Herausforderungen anpassen. Das Ergebnis? Eine Steigerung der Responsequote um 62% im Vergleich zu generischen Videos.
Die Personalisierung muss nicht komplex sein. Manchmal reicht schon ein Intro, das direkt den Empfänger anspricht: "Hallo [Name], hier sind die drei wichtigsten Faktoren, die [Branche]-Unternehmen wie [Firmenname] beim Thema [Produkt] beachten sollten."
7. Tracking und Optimierung für kontinuierliche Verbesserung
Woran erkennst du, ob deine Produktvideos im Vertrieb wirklich funktionieren? An harten Daten.
Die fortschrittlichsten B2B-Unternehmen implementieren umfassendes Video-Tracking, das weit über einfache View-Counts hinausgeht. Die systematische Erfolgsmessung von Video-Kampagnen durch Tracking und Analyse ist essenziell, um die Wirkung im Vertrieb zu maximieren und kontinuierlich zu verbessern. Sie analysieren:
- Wie lange schauen Interessenten bestimmte Videos?
- Welche Teile werden wiederholt angesehen oder übersprungen?
- Bei welchen Stellen steigen viele Zuschauer aus?
- Welche Videos führen zu Folgegesprächen oder Abschlüssen?
- Wie unterscheidet sich das Verhalten verschiedener Zielgruppen?
Ein Frankfurter Fintech hat uns erzählt, dass sie durch A/B-Tests mit verschiedenen Video-Intros die Conversion-Rate ihrer Verkaufsgespräche um 22% steigern konnten. Sie erkannten, dass ein emotionaler Einstieg mit Kundenproblemen besser funktionierte als ein rationales Intro mit Zahlen und Fakten.
Wichtig beim Tracking: Die Daten müssen direkt an die Vertriebsmitarbeiter fließen. Wenn ein Sales-Mitarbeiter sieht, dass ein Kunde ein bestimmtes Feature-Video dreimal angeschaut hat, weiß er genau, wo das Interesse liegt.
Mir ist neulich aufgefallen, wie sehr sich die Vertriebslandschaft durch Videos verändert hat. Früher konnte ein guter Verkäufer ein mittelmäßiges Produkt verkaufen. Heute werden selbst großartige Produkte ignoriert, wenn die visuelle Kommunikation schwächelt. Diese Verschiebung hat mich nachdenklich gemacht.
Produktvideos als strategische Vertriebsressource
Produktvideos sind längst keine nette Ergänzung mehr, sondern ein zentrales Element moderner B2B-Vertriebsstrategien. Sie verkürzen Verkaufszyklen, verbessern die Qualität von Leads und erhöhen die Conversion-Rates.
Die Unternehmen, die wir bei explainr begleiten, berichten durchweg von messbaren Verbesserungen ihrer Vertriebsprozesse durch den strategischen Einsatz von Videos. Von kürzeren Verkaufszyklen bis hin zu höheren Abschlussquoten – die Wirkung ist real und messbar.
Doch der entscheidende Faktor ist nicht das Video selbst, sondern seine strategische Einbindung in den gesamten Vertriebsprozess. Videos funktionieren am besten, wenn sie Teil einer durchdachten Content-Strategie sind, die den gesamten Customer Journey abdeckt.
Vielleicht ist die wichtigste Erkenntnis: Die Zeit der allgemeinen Produktvideos ist vorbei. Was heute zählt, sind modulare, zielgruppenspezifische Videobausteine, die genau am richtigen Punkt des Verkaufsgesprächs eingesetzt werden können.
Deine B2B-Vertriebsmannschaft wird es dir danken – mit mehr und besseren Abschlüssen.